Medienpreis LEOPOLD_interaktiv 2019 – Empfohlene Musikapps und Online-Plattformen

Matthias Krebs | 27. September 2019

Offensichtlich nehmen Smartphones und Tablets immer frühzeitiger und immer vielfältiger einen Platz in der Lebenswelt von Kindern ein. Diese Entwicklung wird sowohl in der Fachwelt wie auch von Eltern sehr ambivalent beurteilt. Für jede „Glaubensrichtung“ scheinen passende Belege bereit zustehen, wobei sich Wissenschaftler*innen darin einig sind, dass es an Langzeitstudien fehle. Eine gesicherte, eindeutige Antwort aber kann – wie so oft in der Pädagogik – nicht gegeben werden, da es natürlich auf die Art und Weise der Integration von Apps und Co. in den kindlichen Alltag ankommt. Zentrale Fragen dieses Beitrags sind:

  • Natur oder Technik: Welche Bedingungen erscheinen förderlich für die kindliche Entwicklung?
  • Welche musikalischen Handlungsräume lassen sich mit Musikapps erschließen?
  • Empfohlene Musikapps: Welche Kriterien waren für die Jury ausschlaggebend und welche Potenziale bieten diese?

Mit den vier Musikapp-Empfehlungen des Medien-Sonderpreises LEOPOLD_interaktiv 2019, der vom Verband deutscher Musikschulen (VdM) in Kooperation mit der Forschungsstelle Appmusik der Universität der Künste Berlin ins Leben gerufen wurde, sollen neue Impulse zum Thema ‚musikalische Bildungsangebote mit Apps für Kinder‘ gesetzt werden.

In diesem Beitrag werden Hintergründe und die zentralen Kriterien des LEOPOLD_interaktiv zur diesjährigen Auswahl von Musikapps und Online-Plattformen erörtert sowie nicht zuletzt die jurierten Apps vorgestellt. Das folgende Video gibt einen Ein- und Überblick zum Sonderpreis und den Empfehlungen der Jury:

Eine App für die ganz Kleinen empfiehlt man eigentlich ungern – um den Zeitpunkt, an dem Kinder elektronische Geräte für sich entdecken, möglichst lange hinauszuzögern. Aber es gibt Ausnahmen.” (Ilka Piepgras, ZEITmagazin) Aussagen wie diese spiegeln die ambivalente Wahrnehmung vieler Erwachsener wider.

Zur Medienwirklichkeit von Kindern

Die Debatte darüber, ab welchem Alter Kinder mit Smartphones und Tablets in Berührung kommen sollten, auf wie lange sich die Nutzung beschränken sollte und mit welchen Folgen dies einhergeht, wird häufig emotional geführt und es treffen extreme Auffassungen aufeinander (Stichwort: „Digitale Demenz“).

Unsere Gesellschaft spaltet sich in diejenigen, die Apps als digitale Werkzeuge verstehen und kreativ nutzen, und diejenigen, die sich ihnen ausgesetzt fühlen (vgl. Bostelmann 2018).

Die Medienpädagogin Theunert macht deutlich, dass Kinder in eine digitalisierte Welt hineingeboren werden und vom ersten Lebenstag an und lebensbegleitend von Smartphones, Tablets und Co. umgeben sind (vgl. Theunert 2007). Kinder sammeln also unweigerlich schon früh Medienerfahrungen (z.B. im Zusammenhang mit dem Medienumgang der Eltern und Geschwister) und bilden im Umgang mit den Mobilgeräten Fertigkeiten aus. Wenn Kinder in erster Linie das Smartphone als Unterhaltungsmedium kennenlernen, das ihnen von den Eltern zum “Ruhigstellen” mit einem YouTube-Video überlassen wird, so spiegelt sich darin in erster Linie eine verordnete, einseitig-passive Nutzungsverständnis wider. Die Frage nach einer fördernden Medienintegration, nach der Auswahl von Apps und ihre methodische Integration in Lernangebote sollte aktiv-gestalterische Nutzungsoptionen sowie soziale Aspekte einer begleiteten Nutzung berücksichtigen, wie in diesem Beitrag im Folgenden aufgezeigt wird.

Zu einer Vereinfachung und Simplifizierung in Bezug auf Erziehungsfragen rund um die Mediennutzung im Vorschulalter kommt es, wenn man die Komplexität den Dingen außerhalb des Menschen zuschreibt. Das heißt, den Dingen per se eine bestimmte Wirkung (als „Allheilmittel“ etwa zur Steigerung von Kreativität und Selbstständigkeit oder als „Droge“ die Lernen verhindert) zuschreibt. Das Vermögen des Individuums auf situative und soziale Faktoren der Umwelt zu reagieren, würde damit verleugnet werden. (Es würde unterstellen, dass Kinder Roboter wären oder ihr Gehirn nicht mehr als ein Daten verarbeitender Mikrochip.)

Wichtigste Regel: Kinder in der digitalen Welt begleiten

In die Welt der Kinder gehören Smartphones und Tablets ganz normal dazu. Beobachtet werden kann, wie Kinder förmlich von den Geräten absorbiert werden, besonders, wenn diese Alltagsgeräte den Kindern wie ein „Zuckerli“ verordnet und als Belohnung oder Strafe (durch Handyentzug) inszeniert werden. Einig sind sich Pädagog*innen und Wissenschaftler*innen darin, dass Kinder soziale Interaktionen, Fürsorge und Aufmerksamkeit von den Eltern brauchen und die Welt entdecken müssen, um sich zu entwickeln.

Ob als Fluch oder Segen wahrgenommen: Digitale Technologien sind eben ein Teil der Alltagswelt, wobei sie ihre spezifischen Erfahrungsqualitäten besitzen. Darum können sie herkömmliche Medien und Erlebnisse im physischen Raum auch nicht ersetzen. // Foto: DPA

Die Integration von Mobilgeräten in die frühkindliche Erziehung wird sowohl von Eltern wie auch in der Fachwelt sehr ambivalent beurteilt. Von Studien, die den Schaden digitaler Medien als „Fluch“ in den Vordergrund stellen, hält Alexandra Langmeyer vom Deutschen Jugendinstitut nichts: „Das verunsichert Eltern sehr stark und hilft nicht weiter“ (Langmeyer 2018). In einer Welt, die von digitalen Medien durchdrungen wird, ist es schier unmöglich, die Kinder von ihnen fernzuhalten – wobei es fraglich ist, ob es erstrebenswert ist. Dabei setzt die Integration von Medien voraus und stellt Anforderungen an die Medienkompetenzen der Eltern und Pädagog*innen. Beachtlich ist diesbezüglich, wie sich die Mediennutzung von Kindern Zuhause und in der Kita unterscheidet:

Digitale Medien Zuhause vs. Schonraum Kita (Krebs 2018)

An einigen Kitas haben sich mittlerweile schon Medienkonzepte etabliert, die Anregungen zur Integration von Apps in den Kita-Alltag (siehe Literaturliste und Links ganz unten) aufnehmen. In solchen Kitas stehen Tablets und Co. neben anderen Spielsachen und Lernmaterialien ganz selbstverständlich zur Verfügung.

Viele Eltern nutzen Youtube als Babysitter – wir setzen ein Gegengewicht. Uns geht es […] um einen sinnvollen und produktiven Umgang damit.“ (J. Wagner, Kita-Pädagogin)

Nie sei ein Kind allein am Computer, immer seien andere Kinder und eine Erzieherin dabei, so Jelena Wagner. Die Kita-Pädagogin stellt fest, dass sich viele der Kinder schnell an die aktive Nutzung der Geräte gewöhnen. Dabei stehen diese nicht derart im Mittelpunkt des Interesses, dass sie ständig in Kinderhänden sind (Frankfurter Allgemeine 2018/01/15).

Apps als Lehrmeister? Manche Eltern und Pädagog*innen erliegen dem Missverständnis, dass Kinder „automatisch“ lernen, wenn sie nur die „richtige“ App in die Hände kriegen. Solchen Erwartungen kann wohl keine App standhalten und führen früher oder später zu Enttäuschungen – bei Eltern und Kindern! Potenziale liegen im gemeinsamen Experimentieren mit Apps. // Foto: Jens Uhlig

Die Integration von Apps in den Vorschulbereich stellt hohe technische und pädagogische Herausforderungen an Eltern und Pädagog*innen, wie Studien zeigen (vgl. z. B. Bastian/Aufenanger/Daumann 2018). In den vergangenen Jahren wurden diesbezüglich einige großangelegte Projekte und Initiativen initiiert, an die angeknüpft werden kann (vgl. z. B. https://www.kita-digital-bayern.de).

Eine soziale Nutzung von Technik lässt sich dabei eben nur im sozialen Umgang erlernen, dabei kommt Erwachsenen gerade für den frühkindlichen Medienumgang eine wichtige moderierende Rolle zu.

Jedoch besteht in Bezug auf Apps, die für Kinder als geeignet bewertet werden, bei einigen Eltern und Pädagog*innen eine Fehleinschätzung: Diese Apps werden als Ersatz für einen realen Lernpartner missverstanden. So werden Kinder häufig in besten Absichten von Eltern und Pädagog*innen mit „Bildungsapps“ allein gelassen. Wie jedoch in der Mediennutzungsstudien von Christine Feil (2016) deutlich wird, haben Kinder im Vorschulalter ein hohes Bedürfnis zum Kontakt mit Erwachsenen, um sich Dinge zeigen und erklären zu lassen oder Feedback zu erhalten (vgl. Feil 2016).

thumbnail of Feil_Kinder am Tablet

Zusammenfassung der Studie (pdf)

In Bezug auf die kindliche Entwicklung ist die Forschungslage unübersichtlich: Manche Untersuchungen erbringen Belege für Störungen, andere raten zur Gelassenheit, insofern die Mediennutzung in gemäßigter Form stattfindet. Medienpädagog*innen geben die Empfehlung, dass der Einsatz sich an den Grundbedürfnissen der Kinder und ihren altersbedingten Fähigkeiten orientieren muss. Es geht auch darum, Eltern zu sensibilisieren, wann Medien als Reizquellen Säuglinge und Kleinkinder überfordern und als eine Reizquelle wahrgenommen werden. Spätestens ab dem dritten Lebensjahr kommt die herausfordernde Aufgabe dazu, Kinder bei ihren Erfahrungen mit digitalen Technologien zu begleiten (vgl. Anfang/Demmler 2018). Sich mit Apps zu beschäftigen, bedeutet also nicht, sie unkritisch und mit blinder Technikbegeisterung aufzunehmen.

Verhältnis von Natur und Technik

Vor allem im Elementarbereich besteht ein breiter Konsens darüber, dass für eine gesunde Entwicklung ein möglichst “naturnahes Aufwachsen” die ideale Grundlage bieten würde (vgl. Anfang/Lutz 2018). In Diskussionen wird jedoch die Verwobenheit von „natürlich-realer Welt“ und „digitaler Welt“ deutlich.

Hey Google! Zeige mir den Weg zum Waldspielplatz! Sollten Natur und Medien wirklich als Gegensatzpaar für das Aufwachsen von Kindern betrachtet werden? // Foto: Karen Berger

Die romantische Idee, dass ein Leben im Einklang mit der Natur ein Gutes sei, welches Gesundheit, Wohlbefinden und Lebensqualität umfasse, scheint seit Rousseaus “Émile oder über die Erziehung” (1762) tief im pädagogischen Bewusst sein verankert. Jedoch stellt sich die Frage, was unter natürlicher Umwelt angesichts einer sich ständig verändernden Welt zu verstehen ist, in der Technologien längst Teil der Umwelterfahrung sind.

“Digitalisierung ist nicht bloß ein technischer, sondern vor allem ein kultureller Prozess” – als solcher berührt Digitalisierung die Lebensweisen und die Wahrnehmungs- und Gestaltungsformen, und schließlich auch künstlerische Praxen fundamental (vgl. Rat für Kulturelle Bildung 2019).

Vor diesem Hintergrund sollten spielerische, experimentelle und gestalterische Umgangsweisen mit Technologien als “natürliche” Zugänge gewertet werden, um Fertigkeiten zu entwickeln, diese Technologien selbstbestimmt, kritisch, kreativ, sicher, verantwortungsvoll und reflektiert zu nutzen (siehe auch Lutz 2018).

Erfahrungsräume mit Musikapps erschließen

Zum breiten Angebot an pädagogisch relevanten Apps lassen sich im Netz einige interessante Quellen zu Listen und Reviews – teilweise auch geschrieben von Eltern – finden (z.B. Ene Mene Mobile Blog). Darunter auch einige Musikapps, die Kindern diverse Formen bieten können, gemeinsam mit Bezugspersonen (Geschwistern, Freunden, Eltern etc.) mit Musik schöne Momente zu erleben, mit Klängen zu experimentieren und sich musikalisch auszudrücken. Besonders Erwachsene helfen, die kindliche Aufmerksamkeit zu kanalisieren, stehen als Kommunikations- und Interaktionspartner zur Seite und geben eine Orientierung.

Dabei werden an die Integration von Apps in musikpädagogische Angebote bestimmte Anforderungen gestellt. So lassen sich einige Musikapps leichter in gemeinsame musikalische Erkundungen und amüsante Lernarrangements integrieren. Andere setzen ein bestimmtes Wissen voraus und es fällt schwer, eine sinnvolle Integration zu finden oder spezifische musikalische Gestaltungsformen zu begreifen. Bei der Auswahl und Fragen zur Bedienung helfen bei manchen Apps auch Youtube-Videos weiter.

Selbst wenn einige Apps etwa ein bekanntes Musikinstrument abbilden, mit dem man interaktiv die dazugehörigen Klänge auslösen kann, sollte dies nicht zu der Annahme führen, dass etwa mit einer abgebildeten Klaviatur schon ein musikalisches Angebot vorbestimmt sei. Hilfreich erscheint ein Blickwechsel, der die technologischen Besonderheiten in den Blick nimmt: Begreift man Musikapps als eigenständiges Instrumentarium, verwundert es nicht, dass Spielweisen und Lernmethoden nicht einfach übertragbar sind. Das wird verständlich, wenn man sich die Unterschiede in der Vermittlung und Spielweise von klassischem Klavier und Schlagzeug vergegenwärtigt. Eine bloße Übertragung greift zu kurz, sowohl spieltechnisch als auch pädagogisch.

Eine differenzierte Darstellung einzelner Spielweisen einzelner App-Musikinstrumente sowie methodische Hinweise würde hier den Rahmen sprengen. Jedoch kann auch die gemeinsame Erkundung musikalischer Gestaltungsmöglichkeiten dieser neuartigen Musiktechnologie Inhalt eines gemeinschaftlichen Bildungsangebotes sein.

Im Mittelpunkt möglicher musikalischer Handlungen mit Apps stehen:

  • musikalische Improvisation,
  • Hörschulung (Geräusche, Klangstrukturen, Instrumente),
  • Sprachentwicklungsübungen,
  • ästhetische Erfahrungsmöglichkeiten,
  • die Beschäftigung mit Lebenssituationen (Musik im Alltag) sowie
  • gemeinsames Musizieren (Singen, mit anderen Instrumenten).

Weiterführende Anregungen zur musikpädagogischen Integration finden sich hier: Musikmachen mit Tablets im Kindergarten

Selbstverständlich bedeutet eine Integration von Apps nicht, dass musikpädagogische Angebote auf Musikapps reduziert werden. Apps lassen sich vielmehr in Bewegungsspiele integrieren und es lässt sich auch dazu gemeinsam musizieren und singen.

Herausforderung im Umgang mit dem Klang der Geräte

Das Mobilgerät für sich genommen ist klanglich wohl eher mit einer E-Gitarre vergleichbar, die erst im Verbund mit einem externen Lautsprecher zum Instrument wird. Es gehören zum App-Instrument neben Mobilgerät und Musikapp immer auch angemessene Lautsprecher bzw. Kopfhörer dazu, um die gemeinsamen musikalischen Reisen, das Musizieren und die gestalteten Klangkulissen akustisch detailreich zu hören und angemessen erleben zu können.

Medienpreis LEOPOLD_interaktiv 2019 – Musikapps und Online-Plattformen

Um auf die gesellschaftlichen Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung zu reagieren und das Thema appmusikalischer Bildungsangebote für eine breite Diskussion aufzuschließen, wurde in diesem Jahr der Sonderpreis LEOPOLD_interaktiv für Apps und Online-Plattformen eingerichtet. Die Empfehlungen richten sich an Eltern und Pädagog*innen und sollen bei der Auswahl im Angebot der Apps unterstützen.

Mitte 2018 wurde eine entsprechende Ausschreibung entwickelt und eine Jury aus erfahrenen Kita-Pädagog*innen und Musikpädagog*innen zusammengestellt, an der auch Dr. Hendrike Rossel (Projektleiterin des Medienpreises LEOPOLD), Prof. Reinhart von Gutzeit (Leiter der Hauptjury) und Matthias Krebs (Leiter der Forschungsstelle Appmusik, UdK Berlin) beteiligt waren.

Zentrale Kriterien der Jury waren…

  • die Anregung zu verschiedenen Umgangsformen (Klänge & Musik entdecken, hören, modifizieren, aufnehmen, visuell nachvollziehen, interaktiv gestalten),
  • die Möglichkeit, andere Kulturen und künstlerische Vielfalt kennenzulernen (etwa das Spielen verschiedener Skalen und verschiedenartiger Instrumente),
  • die Qualität der Sounds und Samples,
  • die Anregung zum selbst aktiv werden sowie Humor und Abwechslungsreichtum.

Eingereicht wurden bis zum 22. Februar 2019 insgesamt 15 Musikapps und Online-Plattformen. Letztere stellen im Unterschied zu gewöhnlichen Webseiten kleine Programme dar, die wie Apps auf einem Mobilgerät genutzt werden können, d.h. nicht allein zur Information, sondern zur kreativ-gestalterischen Nutzung (siehe auch: Musikmachen im Netz).

Empfehlungen

Alle Einreichungen wurden von den Jurymitgliedern zunächst privat und auch mit Kindern in Vorbereitung auf die Jurysitzung erprobt. Zusätzlich wurden Kriterien entwickelt und sich per Mail über Erfahrungen aus der Praxis ausgetauscht. Im April 2019 wurden die Apps und Online-Plattformen in einer 5-stündigen Sitzung einzeln diskutiert und in verschiedene Kategorien unterschieden.

Bei den folgenden Empfehlungen konnte die Jury mehrheitlich ein nachvollziehbares pädagogisches Konzept und einen Rahmen für spielerische musikalische Erfahrungsmöglichkeiten erkennen. Außerdem gibt es keine Werbeeinblendungen und die Apps sind sowohl für Geräte mit Android als auch von Apple erhältlich.

KlangDings (by doDings GbR)

Die App KlangDings eignet sich besonders gut für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren und spricht nicht nur den Entdeckergeist von Kindern an, sondern amüsiert sicher auch Erwachsene: Eine niedlich illustrierte Klang- und Geräusch-App.

Angeregt durch die App lässt sich leicht mit den Kindern über eigene Klangerfahrungen sprechen und es können tönende Klanggeschichten entwickelt werden.

Anfangs kann es sein, dass die vielen bunten Elemente dazu verleiten, beliebig einfach mal alles anzuklicken. Doch konnte beobachtet werden, wie nach und nach die vieldimensionale App auch differenzierter von den Kindern genutzt wurde: Welcher ist dein Lieblingsklang? Finden wir einen Rhythmus zum Tanzen?

Methodisch ist besonders interessant, dass sich in jedem Bild ein roter Button finden lässt, der alle Animationen und Klänge auch wieder beruhigt. So ist wie die vielfältigen Geräusche und Rhythmen auch die Ruhe ein ästhetisches Element.

Dankbar nahmen die Kids auch Aufforderungen an, die Klangforschung im eigenen Kinderzimmer oder in der Kita fortzusetzen.

Tongo Musik (by Firstconcert Productions GmbH)

Mit der App Tongo Musik kann man nach Erfahrung der Jury mit Kindern im Alter von 3 Jahren auf eine musikalische Reise gehen; sie ist sowohl für lange Zugfahrten als auch für die heimische Couch geeignet.

Die App kommt langsam daher und eignet sich nach Erfahrung der Jury eher für Kleinkinder. Tongo Musik ist schlicht und freundlich gestaltet und soll in ihrer reduzierten Form an ein Bilderbuch erinnern. Jedes Kapitel kann mit den Fingern erkundet werden und beinhaltet interaktive Animationen und Klänge sowie einige bekannte Musikbeispiele von Klassikern (die leider allein auf die westliche Kultur beschränkt sind).

Die App bietet eine übersichtliche, aber gut klingende Auswahl. Kinder, die musikalisch selbst aktiv werden wollen, sind mit der App eher nicht gut bedient.

BandDings (by doDings GbR)

Die App BandDings ist bei Kinder im Alter von 4 bis 9 Jahren sehr beliebt. Nach Aussagen von Horterzieher*innen ist sie auch im schulischen Nachmittagsbereich bei Grundschülern sehr begehrt.

Kinder können um das lustige Walross Rose nach dem Prinzip der ‘Bremer Stadtmusikanten’ eine eigene Band aus unterschiedlichen Musikanten zusammenstellen. Dafür können sie sich in unterschiedlichem Terrain, zum Beispiel im Dschungel oder in der Großstadt, auf die Suche nach den schrägsten Bandmitgliedern machen. Hat man fünf Mitglieder ausgesucht und eingesammelt, gibt es abends ein tolles Konzert mit Raketen und Lichteffekten sowie Möglichkeiten zur Improvisation.

Wer genau hinhört, erkennt, dass die Musikstücke gängige Kinderlieder wie Bruder Jakob, Alle Vögel sind schon da und Ähnliche interpretieren. Das bietet lustige Anlässe, um spontan mitzusingen oder zu pfeifen. Die Arrangements der einzelnen Beiträge der Bandmitglieder sind musikalisch sehr differenziert und es lassen sich auch eher ungewöhnliche, teils schräge Klänge entdecken – so werden die Kinder in ihren Entscheidungen herausfordert.

WDR Klangkiste

Die Online-Plattform WDR Klangkiste bietet Kindern im Grundschulalter sowie auch Älteren eine Anwendung für herausfordernde Klangexperimente. Das Besondere ist, dass sie auf jedem Smartphone oder Tablet läuft – wenn es ausreichend WLAN gibt.

Ist Internet vorhanden, kann das Online-Musikprogramm ohne Installation einer App direkt per Internet-Browser (Safari oder Google Chrome) genutzt werden. Es bietet eine Art Kompositionsbaukasten, mit dem sich kurze Videosamples des WDR-Klangkörpers musikalisch erkunden lassen. Dazu können zunächst vorgefertigte Sets verwendet werden. Mit klassischer Musik, Jazz und Gesang werden Kinder, allein oder zu mehreren, spielerisch zum Mitmachen eingeladen und können damit Spaß haben und experimentieren.

Von besonderem Interesse ist aber die Möglichkeit, in die WDR-Klangkiste auch eigene Geräusche oder Melodien zu integrieren. So können mit dem eingebauten Mikrofon des Mobilgerätes eigene Klänge aufgenommen und mit Effekten versehen werden. Dann lassen sie sich mit anderen kombinieren. Hierin sah die Jury eine besondere Stärke des neuen interaktiven Online-Angebots des WDR.

Thema Beliebigkeit und Ausblick

Auch wenn nach den obigen Erläuterungen zu den Hintergründen zur Auswahl der Musikapps der Vorwurf der Beliebigkeit in Interaktion mit den offerierten Elementen und Sounds der Apps nicht aufgelöst sein sollte, sei hiermit für folgendes sensibilisiert: Die ersten Töne am Klavier klingen meist öde oder wild. Es braucht Erfahrung und dafür Räume, in denen experimentiert werden kann.

Interessant klingt’s, wenn Strukturen entstehen, variiert und Kontraste entwickelt werden.

Auch bei Apps ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Musikmachen mit Apps sollte auch nicht auf spontane Gelegenheiten reduziert werden. Kinder genießen es, wenn sie zeigen können, wie sie die App beherrschen und etwas Eigenes schaffen können. Die Erfahrung zeigt, dass es lohnt, Kinder nicht mit einer breiten Auswahl an Apps zu überfrachten, sondern einzelne zu fokussieren. Über die empfohlenen Musikapps des LEOPOLD_interaktiv hinaus finden Sie unten im Beitrag noch weiterführende Links zu weiteren Empfehlungen.

Die Jury stellte insgesamt fest: Das Angebot an Musikapps, die ein nachvollziehbares pädagogisches Konzept und einen Rahmen für spielerische musikalische Erfahrungsmöglichkeiten bieten, ist rar. Vielleicht sollten wir nicht Erwartungen an Apps stellen, die wir ja auch nicht an etwa Bücher stellen. Wie gezeigt werden sollte, liegen die Potenziale der Musikapps in der sozialen Einbindung in gemeinschaftliche Bildungsprozesse, die vielfältige Formen bieten, eine aktive Medienaneignung bezogen auf Musik zu erfahren.

 

Literatur und Quellen

Weitere Beiträge zum Thema auf dieser Webseite

Webseiten speziell zu Musikapps für Kinder

Radiobeitrag von Justus Herrmann

YouTube

Literatur

  • Anfang, Günther/Demmler, Kathrin (2018): Medienkompetenzförderung in der Kita. In: Zeitschrift für Medienpädagogik merz 2_2018, S. 12-20.
  • Anfang, Günther/Lutz, Klaus (2018): Medienerziehung in der Kita. In: Zeitschrift für Medienpädagogik merz 2_2018.
  • Bostelmann, Antje/Fink, Michael (2014). Digital Genial. Erste Schritte mit Neuen Medien im Kindergarten. Berlin: Bananenblau.
  • Burton, Suzanne L./Pearsall, Aimee (2016). Music-based iPad app preferences of young children. In: Research Studies in Music Education, 38 (1), S. 75–91.
  • GMK (2017). Kinder im Mittelpunkt: Frühe Bildung und Medien gehören zusammen. Positionspapier der GMK-Fachgruppe Kita.
  • Krebs, Matthias (2018): Apps als Instrumentarium für Kinder im Vorschulalter. In: Zeitschrift für Medienpädagogik merz 2_2018, S. 41–48.
  • Krebs, Matthias/Godau, Marc (2016). App-Kids: Tablets im Kindergarten. In: Kinderzeit (1), S. 18–23.
  • Lepold, Marion/Ullmann, Monika (2017). Montessori und digitale Medien. In Krippe und Kita. Freiburg: Herder.
  • Lutz, Klaus (2018): Digitale Kindheit. In: Zeitschrift für Medienpädagogik merz 2_2018.
  • Rat für Kulturelle Bildung (2019): Alles immer smart: Kulturelle Bildung, Digitalisierung, Schule.
  • Theunert, Helga (2007): Medienkinder von Geburt an: Medienaneignung in den ersten sechs
    Lebensjahren. München: kopaed.
  • Feil, Christine (2016): Kinder am Tablet. Beobachtungen zur Medienaneignung zwei- bis sechsjähriger Kinder. In: Wissenschaftliche Fachtagung „Tablets in Kinderhand“, DJI München.

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