App-Kids: Musikmachen mit Tablets im Kindergarten

Matthias Krebs und Marc Godau | 18. Mai 2016

Musizieren mit Tablets in der Kita? Warum mobile Digitalgeräte und Musikapps für Kinder im Kita-Alter? Welchen Beitrag können Musikapps zur musikalischen Bildung leisten? Diese Fragen werden an vielen Stellen kontrovers diskutiert (siehe auch hier, hier und hier). Matthias Krebs und Marc Godau von der Forschungsstelle Appmusik an der Universität der Künste Berlin befassen sich mit dem Thema intensiv. Neben Fragen zur Relevanz beschäftigt sie auch, wie Erzieher_innen mit Musikapps dabei unterstützt werden können, mehr mit den Kinder zu musizieren. 

Der folgende Text ist eine Vordruckfassung des im Magazin Kinderzeit (Ausgabe 1_2016) erschienenen Artikels von Matthias Krebs und Marc Godau (Wissenschaftliche Mitarbeiter der Forschungsstelle Appmusik (FAM), UdK Berlin). Mit Erlaubnis der kölnerverlagsagentur, darf der Artikel sowohl auf dieser Webseite als Blogbeitrag als auch in Form eines iBooks wieder-veröffentlicht werden.

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Krebs, Matthias/ Marc Godau (2016): App-Kids. Musikmachen mit Tablets im Kindergarten. In: Kinderzeit 01/2016, S. 18-23.

 

Intro

Jüngst bat uns eine befreundete Erzieherin und Mutter um eine Beratung für den kindgerechten Einsatz von Medien. Sie selbst achte darauf, dass ihr zweijähriger Sohn nicht verfrüht das Smartphone in die Hände bekomme. Jedoch sei ihr Interesse für Apps geweckt worden, da in Videos auf facebook und YouTube mit bestimmten Apps ebenso wie mit traditionellen Instrumenten musiziert werde. Im App Store seien zudem zahlreiche Musikapps für Kinder zu finden. Nun stünde sie vor dem Dilemma, entweder ein Xylophon oder eine Xylophon-App für ihr Kind anzuschaffen. Dies veranlasste uns dazu, mehr Klarheit zu diesem Thema zu verschaffen.

Diese kurze Szene zeigt die Unsicherheiten von Pädagogen und Eltern rund um das Thema Apps, Musik und Bildung. Smarttechnologien entwickeln sich rasant und werden zunehmend zu einem Universalmedium mit einer unüberschaubaren Zahl von Anwendungsmöglichkeiten. Die oftmals hitzigen Debatten um Chancen und Risiken kränkeln daran, dass zu vielen musikpädagogischen Fragen noch grundlegende Forschungsergebnisse fehlen und Argumentationen auf einer unreflektierten Grundskepsis basieren.

Foto: Sandra Staffl

Foto: Sandra Staffl (Klax GmbH)

Vor dem Hintergrund der Musikpädagogik vertreten wir den Standpunkt, dass Xylophone aus Holz sich für die musikalische Bildung der Kinder eignen, dass aber auch Tablets ihre spezifischen Qualitäten haben, die sich gerade nicht in der virtuellen Nachbildung von Orffinstrumenten oder anderen Musikinstrumenten erschöpft. Prinzipiell gilt: Eine reine Übertragung von musikalischen Umgangsweisen (z. B. Xylophon-Spielen) auf das Tablet ist unnötig. Der pädagogische Mehrwert misst sich ausschließlich daran, ob auf Bedürfnisse reagiert wird oder Projekte initiiert werden können, die bisher Unmögliches möglich machen. Im Folgenden wollen wir der Frage nach dem Bildungspotenzial von Musikapps, auch im Hinblick auf deren Einsatz in der Kita, nachgehen und (weiter unten) einige Anwendungsszenarien skizzieren.

In den letzten zwei Jahren arbeiteten wir in Kooperation mit Klax(1). In Praxisbegleitung, Ausbildung sowie Fortbildungsveranstaltungen konzipierten, erprobten und reflektierten wir gemeinsam kreative Möglichkeiten der Mediennutzung. Zusammen mit den engagierten Erziehern überlegten wir, wie ein bildungsrelevanter Umgang mit Smarttechnologien aussieht, der den elementarpädagogischen Alltag bereichern kann. Im Fokus unserer Arbeit stehen immer Musikapps, installiert auf Tablets, die nicht nur zum Hören von Musik (Playerapps), sondern auch zum aktiven, handelnden Musiklernen, zum Musizieren und für kreative Experimente mit Klängen genutzt werden können.

 

Warum mobile Digitalgeräte und Musikapps für Kinder im Kita-Alter?

Primärerfahrungen mit Medien

Skeptiker argumentieren, dass das Musizieren mit Apps eingeschränkt sei und zudem musikalische Primärerfahrungen wie die Klangerzeugung mit Alltagsgegenständen, mit der Stimme oder dem Körper verhindere. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, jene fehlenden Primärerfahrungen würden sich negativ auf die Identitäts- und Weltkonstruktion von Kindern auswirken, da sich Wirklichkeitsbilder über das eigene Sein (Kompetenzen und Einordnung in die restliche Welt) an Musik und Bildern orientiere, die durch die Medien vermittelt würden. Anstatt Musikkulturen via YouTube über den Bildschirm kennenzulernen, sollten Kinder diese unmittelbar musikpraktisch erfahren.

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Dieser Vorstellung ist entgegenzusetzen, dass Medien wie Fernsehen, MP3-Player und Apps Teil der gegenwärtigen Sozialisation von Kindern sind. Damit kommen Medien „nicht sekundär in eine primär medienlose Welt hinein, die sie dadurch verändern – vielmehr sind Medien selbst Teil des Weltzugangs und damit der Erkenntnis”, wie der Medienpädagoge Vollbrecht bemerkt(2). Weitet man damit den Blick, dann kommt es heutzutage mehr denn je auf relevante Erfahrungen an, durch die es Kindern ermöglicht wird, in einer digitalisierten Gesellschaft Gestaltungsräume zu finden und zu nutzen. Vor diesem Hintergrund stellt auch das Lernen des Umgangs mit Smartphones und Tablets eine Primärerfahrung dar.

Gegenwelten

Im Verhältnis von Kindheit, Medien und Pädagogik stehen zwei sich widersprechende Positionen einander gegenüber. Während die erste Medienbildung durch Erziehung fokussiert („Kinder müssen lernen, mit Medien umzugehen“), konzentriert sich die zweite auf bestehende Medienkompetenzen von Kindern („Kinder sind immer schon mit Medien in Kontakt“)(3). Aus dieser Verwirrung resultiert einerseits eine bewahrpädagogische Haltung von Erziehenden (Eltern, Kitamitarbeitern und Lehrkräften), die vor Gefahren (etwa Konsumverhalten oder digitaler Demenz) sogenannter neuer Medien schützen. Andererseits bekräftigt die These der Medienkompetenz von Kindern, wie diese in ihrem Alltag oft selbstverständlich mit Medien und Technologien umgehen – angefangen beim Fernsehen über die Smartphone-Nutzung bis hin zur Partizipation in Online-Gemeinschaften (etwa YouTube-Channels oder Snapchat).

Aus allen Positionen wächst unseres Erachtens die Forderung, dass die Medienkompetenz von Kindern gefördert werden muss. Denn im schlimmsten Fall wachsen Kinder in einem erzieherisch behütenden Raum auf, der jedoch mediale Inkompetenz und soziale Ungleichheit fördert. Bewahrpädagogik gefährdet unsere Kinder! Und ein pädagogisches Ausblenden von Medien durch ein „blindes“ Vertrauen in vorhandene Medienkompetenzen der Kinder übersieht die Herausforderungen, die die zunehmende Komplexität der derzeitigen und künftigen Gesellschaft an ihre Mitglieder stellt. Sie überließe Medienbildung dem Zufall.

Herausforderungen

Aber was ist mit den viel beschworenen Nachteilen, dem Versinken in öde Spiele und den vom Bildschirmgeschehen gefesselten Blicken? Eine technologiesensible Erziehung nimmt auch die Nachteile in den Blick und versucht kritisch und konstruktiv zu reflektieren, wie wir Erziehung durch Delegation an digitale Technologien (z. B. Hörbuch statt der Vorlesegeschichte) verhindern und befördern (z. B. ein eigenes Hörbuch erstellen). Insbesondere das Vorbildverhalten der Erziehenden sowie ihre Beziehung zu den Kindern und den Medien spielen hier eine Rolle. Die zu Recht beanstandeten Unhöflichkeiten, wie das Unterbrechen eines Gesprächs durch den Blick aufs Smartphone, müssen zunächst als Verhaltensregeln zwischen Menschen verhandelt werden. Somit hat die Förderung der Medienkompetenz der Kinder immer auch etwas mit Elternarbeit und Selbstreflexion der pädagogischen Fachkräfte zu tun. Sie kann nur mit, nicht ohne die Medien gelingen.

Foto: Sandra Staffl

Foto: Sandra Staffl (Klax GmbH)

Wer nicht möchte, dass die mobilen Digitalgeräte nach anfänglicher Euphorie schon bald in den Regalen verstauben, benötigt Konzepte für ein kreativ-gestalterisches Medienlernen. Die Chance kann im musikalischen Umgang mit den Geräten liegen. Um nachhaltig Bildung mit Apps anzubahnen, müssen die Technologien in die Abläufe und Konzepte des Kita-Alltags integriert werden. Dazu gehört weniger der Konsum von Medien als vielmehr der produktive, kreative Umgang mit ihnen. Beispielsweise können sie genutzt werden

  • um Klanggeschichten aufzunehmen,
  • um eigene Stop-and-motion-Filme zu erstellen und mit Klängen und Rhythmen zu unterlegen,
  • um Geräusche aus der Umgebung zu sammeln und zu Soundboards zusammenzufügen,
  • um mit dem Finger klingende Partituren zu komponieren,
  • um improvisatorisch erste Melodien auf einer Musikapp zu zeichnen oder
  • um ein kleines Konzert für die Eltern mit Instrumenten und Apps zu spielen.

Erst ein Aushandeln von Inhalten zusammen mit den Kindern, ein gemeinsames Sammeln von Erfahrungen, ein Hinterfragen und eine bewusste, produktive Anwendung hilft allen Beteiligten, einen kompetenten Umgang mit Medien zu entwickeln. Die Auseinandersetzung aller mit den technischen Herausforderungen gehört zu diesen Lernprozessen dazu. Die Präsentation von Medienangeboten, die durch Pädagogen perfekt vorbereitet wurden und in denen sich die Kinder nur noch auf das vermeintlich Wesentliche konzentrieren müssen, reduziert dabei das Lernen mit Technologien auf wenige Bereiche. Auch Technologie ist Lerngegenstand.

 

Warum mobile Digitalgeräte in der Kita?

Vom Lernen der Kinder

Fast immer findet der erste Kontakt mit mobilen Digitalgeräten in der Familie statt. Kinder nehmen so bereits im Alltag an Medienwelten teil. Kinder schauen sich die Mediengewohnheiten ihrer Eltern, Großeltern oder Geschwister ab und erlernen so in mimetischen Prozessen den Umgang mit Technologien. Immer wieder ist zu beobachten, mit wie viel Neugier Kinder diesen Technologien begegnen.

Foto: Jay Ahimsa

Foto: Jay Ahimsa

Ob Kinder dabei einen sinnvollen, selbstständigen und verantwortungsvollen Umgang erlernen, hängt von spezifischen Lernsituationen im Alltag (in der Kita oder zu Hause) ab.

Mobile Digitalgeräte im Elternhaus

Wie die aktuelle KIM-Studie(4) zeigt, sind Familien grundsätzlich medial sehr gut ausgestattet. Eine repräsentative Befragung von mehr als 1500 Eltern(5) kommt zu dem Ergebnis, dass die meisten Eltern die Mediennutzung reglementieren, aber nur ein Drittel regelmäßig mit den Kindern über Medieninhalte spricht.

Basis: Eltern von Grundschul- und Kindergartenkindern. Quelle: IfD-Umfrage 7202, Oktober 2014.

Basis: Eltern von Grundschul- und Kindergartenkindern. / Quelle: IfD-Umfrage 7202, Oktober 2014.

Weiter stellt der Mediendschungel für Eltern eine Überforderung dar, da sie mitunter gar nicht einzuschätzen vermögen, ob etwa eine App reiner Zeitvertreib oder ein ernst zu nehmendes Bildungsangebot ist. Den Umgang mit Medien auf das Elternhaus zu verlagern, genügt also nicht. Es braucht Pädagogen, die offen und zugleich kritisch-reflexiv Technologien in Angebote einbeziehen.

Mobile Digitalgeräte in Kitas

Wie und ob Smartphones und Tablets in Kindertageseinrichtungen genutzt werden, ist stark abhängig von der Haltung, den Wertvorstellungen, den Medienerfahrungen und den Kompetenzen der Pädagogen. Diese gilt es zunächst zu reflektieren, um Möglichkeiten der Integration von Apps für das Musiklernen auszuloten: Welche Einstellungen habe ich selbst zu Musik und Medien? Wie lerne ich selbst mit den Medien? Welche Bedingungen für die Förderung musikalischer Bildung mit Medien sind aktuell vorhanden/notwendig? Was sollen Kinder über Musik und Medien lernen? Worauf basieren diese Ziele (Hörensagen, eigene Erfahrung, Bildungspläne etc.)?

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Musik in der Kita

Ergänzend kommt für unser Thema hinzu, dass in der Erzieherausbildung Stimmbildung, Liedrepertoire oder Instrumentalspiel oft nicht oder nur unzureichend vorkommen. Schwierig ist auch die Situation, dass angehende Erzieher „nur noch geringe oder gar keine musikalische Vorerfahrung mit[bringen]. Und die Curricula der Fachschulen haben sich verschoben – weg von der Grundlagenarbeit hin zur Lernfeldpädagogik“(6). Viele pädagogische Fachkräfte fühlen sich deshalb überfordert von dem Anspruch, die Kinder musikalisch zu fördern. Einige von ihnen verwenden dann lediglich CDs zum Mitsingen, da sie sich ohne Gesangs- oder Instrumentalausbildung unsicher fühlen oder sich grundsätzlich für unmusikalisch halten. Andere legen die gesamte Verantwortung musikalischer Ausbildung in die Hände von externen Fachkräften, die einmal wöchentlich kommen. Dies ist weder aus musik- noch aus medienpädagogischer Perspektive befriedigend. Der Einsatz externer Fachkräfte kann ergänzen, aber nicht ersetzen.

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Sind auch viele Erzieher digitalen Medien gegenüber aufgeschlossen, so fällt die Integration neuer Medien in einen Angebotsrahmen im Kindergartenalltag zumeist dennoch schwer. Zugespitzt wird dies durch die Vorurteile, Kinder würden in der Entwicklung ihrer Kreativität gestört und Mediennutzung führe automatisch zu mangelnder Konzentration sowie zu Aggressionen. So fürchten etwa laut den Ergebnissen einer Allensbach-Umfrage(7) ein Drittel der Erzieher und ein Viertel der Eltern sogar, dass die digitale Mediennutzung Talente verkümmern lässt. In der Folge spielen Medien in den meisten Kindertagesstätten (94 Prozent) keine große Rolle. Die häufigste Nutzung beschränkt sich auf das Vorführen von Videos.

Potenziale

Aus musikpädagogischer Sicht erzeugt eine bewahrpädagogische Manifestation von Widerständen gegen digitale Medien mehr Probleme als Lösungen. Denn sie bevormundet und verhindert die Ausbildung von Strategien für den selbstbestimmten Umgang in einer Welt, in der Musikkulturen Medienkulturen sind. Musik wird im digitalen Studio produziert sowie überwiegend mittels digitaler Medien vermittelt (z. B. digitales Radio, YouTube, Streaming-Angebote) und gelernt (z. B. Kennenlernen von Musikstars über Fernsehsendungen, YouTube-Tutorials oder Apps). Dabei muss in einer musikpädagogischen Medienkritik unseres Erachtens zunächst die Praxis der Integration von Musikmedien in Kitas bemängelt werden. Denn vielerorts überwiegt dort, wie bereits erwähnt, die Beschränkung auf CD-Player, aus denen Musik ertönt, zu der mitgesungen oder getanzt wird.

Tipp: Klingende Geschichten mit Apps

Seit Langem werden Klanggeschichten in Kitas und Schulen genutzt, um musikalische Erfahrungen durch die Umwandlung von Text in Musik anzubahnen. Sie nehmen die Kinder mit auf eine spannende Abenteuerreise hinaus in die Welt, indem Stimmungen, Charaktere oder Verläufe in Instrumentenklänge verwandelt werden. Dies geht in Form einer interaktiven Vertonung einer Geschichte in der Gruppe bis hin zum Produzieren ganzer Hörspiele.

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Empfehlenswert ist die App Morphwiz (iOS, android, Windows). Die App stammt von einem Zauberer. Per Finger-Wisch werden sphärische Klänge erzeugt, die viele magische Atmosphären herstellen. Durch das Wechseln der Presets tauchen Nutzer in verschiedene Welten ein, die sich visuell und klanglich voneinander abheben. Und wenn man unterschiedliche Linien einblendet, können darauf sogar Melodien gespielt werden.
Weitere Apps dazu: BeBot (iOS), TC-Performer (iOS) und Nodebeat (iOS und android)

Wir denken, dass besonders Musikapps neue Möglichkeiten bieten, Zugänge zu Musik divers zu gestalten und mit Zielen der Bildungsbereiche Musik und Medien zu vereinen. Als Ausgangspunkt für die Integration mobiler Digitalgeräte gelten folgende Punkte:

  • intuitive Bedienung der Geräte
  • diverse Musikapps für einen umfangreichen Pool pädagogischer Angebote (siehe Beispiele)
  • individuelle Anpassung der Geräte und Apps an die Bedürfnisse und Kompetenzen der Kinder

 

Welchen Beitrag können Musikapps zur musikalischen Bildung leisten?

Im Zuge der pädagogischen Auseinandersetzung mit Kompetenzen innerhalb der letzten Jahre hat die Bedeutung des Improvisierens, Arrangierens, Komponierens und Aufführens für alle Altersgruppen gegenüber dem Musikhören in erheblichen Maße zugenommen. Im Mittelpunkt musikalischer Bildung stehen nicht rezeptive und transformative Umgangsweisen wie Musikhören und das Bildermalen zu Musik. Mobile Digitalgeräte bieten unter anderem folgende musikalische Möglichkeiten für Kinder:

  • Förderung der Kreativität durch Komponieren, Improvisieren und Experimentieren mit Musikapps
  • Förderung des musikalischen Selbstkonzeptes (sich als musikalisch wahrnehmen lernen) musizieren von Anfang an mit anderen in der Gruppe
  • musizieren mit vielen Sinnen (Musik machen mit den Augen, Töne verändern durch Bewegung, Töne erzeugen mit den Händen und Fü̈ßen)
  • andere Kulturen kennenlernen (etwa spielen verschiedener Tonleitern auf virtuellen Instrumenten)
  • flexible Integration in bestehende Musikpraktiken (z. B. Kombination von Apps mit traditionellen Instrumenten)
  • individualisiertes Lernen (Stichwort: Inklusion)
  • Erweiterung des musikalischen Handlungsrepertoires (z. B. filmen, vertonen und teilen mit anderen)

Dabei muss selbstverständlich bedacht werden, dass ein unreflektierter Umgang mit Apps nicht minder problematisch ist als ein Einfach-Drauflossingen, ohne auf eine kindgerechte Stimmlage oder adäquate Inhalte zu achten.

 

Musikmachen mit Tablets?

Technologische Herausforderung

Unübersehbar ist mittlerweile die Flut an digitalen Geräten mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Sie können dann zur Unterstützung von Alltagsroutinen genutzt und flexibel in den Tagesablauf eingebettet werden. Doch welche Anforderungen müssen die Smarttechnologien im Kita-Alltag erfüllen? Grundsätzlich zeigen Erfahrungen dass eine Anschaffung von einem bis zwei Geräten pro Einrichtung oder pro Gruppe ausreicht. Tablets passen gut in Kinderhände und sind dennoch so groß, dass alles deutlich gesehen werden kann. Eine zusätzliche wasser- und sanddichte sowie eine an den Rändern gepolsterte Hülle sorgen dafür, dass weder im Freien noch bei einem Absturz etwas passieren kann. Für viele musikalische Einsatzbereiche reicht schon der kleine Lautsprecher im Gerät aus. Doch ist der Klang deutlich besser, wenn man die Tablets mit Kopfhörern verwendet. Ein Verteiler sorgt für gemeinsame Freude mit Kopfhörern und ermöglicht verschiedene Musikprojekte in einem Raum. Mit einem günstigen Kabel können die Tablets aber auch an einer Stereoanlage angeschlossen werden, um die musikalischen Ergebnisse für alle hörbar zu machen.

Tipp: Kinder musizieren mit Apps

Ohne Noten mit Kindern Musik machen: Unter den zahlreichen Musikapps für Tablets und Smartphones sind solche zu finden, mit denen Kinder ein vielfältiges Instrumentarium in die Hand bekommen, um selbst kreativ zu werden. Sie können zumeist vor einem liebevoll gestalteten Hintergrund kindgerecht erste Kompositionen erstellen oder Musik improvisieren.

Empfehlenswert sind die Apps LOOPIMAL (android und iOS) und Sketch-a-Song (android und iOS). Bei der App LOOPIMAL handelt es sich um eine handgezeichnete App mit lustigen Animationen und Sounds. Auf einfache Weise lassen sich kleine musikalische Sequenzen miteinander kombinieren, zu denen lustige Tiere tanzen. Schließlich lässt sich dazu mit anderen Instrumenten mitspielen, es genügen die weißen Tasten als Töne der C-Dur-Tonleiter.
Weitere Apps dazu: Toca Band (iOS) und Jambandit (iOS)

Die benötigten Apps zum Musikmachen kosten wenig bis gar nichts. Für Apple-Geräte (mit iOS-Betriebssystem) gibt es viele interessante, bildungsrelevante Musikapps, die mitunter 1 bis 4 Euro kosten. Demgegenüber sind die Musikapps für Geräte anderer Hersteller (mit android-Betriebssystem) meist primitiver und haben Werbeeinspielungen, sind dafür aber kostenlos. Insgesamt können wir iPads (iOS) empfehlen, da aktuell besonders zum Musikmachen vielfältigere und leistungsfähigere Apps verfügbar sind. Musikapps als Hilfsmittel So wie Apps den Alltag bereichern (z. B. Kalender, Wecker oder Karte), können sie auch auf vielfältige Weise als Hilfsmittel das Musikmachen unterstützen. Sie helfen beim Stimmen der Gitarre, erleichtern die Anfertigung von Liedersammlungen oder bieten an, die Gesangsbegleitung an die Stimmlage der Kinder (z. B. Anytune Pro, iOS; ChordBot, iOS, android; Tin Pan, iOS) und im Tempo anzupassen.

Musikapps als Instrumente

Etliche Musikapps ermöglichen das Instrumentalspiel als virtuelle Nachbildung von Gitarren, Piano oder Schlagzeug, ohne jemals traditionelle Instrumente zu ersetzen. Die Vorteile liegen in der einfachen Verfügbarkeit sowie dem umfangreichen Klangspektrum: Aus einer Akustikgitarre wird schnell eine E-Gitarre, ohne dass Zusatzgeräte vonnöten sind. Die vielleicht spannendere Variante sind Musikapps mit völlig neuartigen Oberflächen und Musiziermöglichkeiten (wie SoundPrism, iOS; ThumbJam, iOS; ImproVox, iOS). Sie laden zu kreativen Entdeckungsreisen ein, denn auch ohne Notenkenntnisse können mit ihnen leicht Kinderlieder klanglich abwechslungsreich umgesetzt werden.

Musikapps als Lernmedien

In den App Stores stehen ebenso Apps zur Verfügung, die spielerisch in musikalische Inhalte einführen können (Rhythmus, Notenlehre oder Orchester). Die Datenbank des Deutschen Jugendinstituts(8) beispielsweise bietet eine umfangreiche Auswahl von Lernapps für Musik und andere Bildungsbereiche, die nach Eignung für verschiedene Altersgruppen unterteilt werden.

Musikapps als Experimentallabor

Schließlich existieren auch zahlreiche Apps, die das Experimentieren mit Klängen, Farben und Formen erlauben. Sei es das Verändern der eigenen Stimme durch Effektgeräte (improVox, iOS; RoboVox, iOS und android), ein niedrigschwelliger, improvisierender Zugang zu Musik (PlayGround, iOS; AUXY, iOS) oder das Bauen ganz eigener Musikapps (Musyc, iOS; NodeBeat, iOS und android), die den Vorstellungen der Kinder entspringen.

 

Fazit

In diesem Sinne bleibt zu sagen, dass „Digital Detox“ – also selbstverordnete Medienabstinenz – keine Heilslehre ist, auch wenn sie zu interessanten Erfahrungen anstiften kann. Ein pädagogisch begründetes generelles „Smartphone-Verbot“ wird dem gesellschaftlichen Auftrag von Erziehung keinesfalls gerecht. Immer schon hat Erziehung in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche auf Medienentwicklungen reagieren müssen (das Buch als Gefahr der Verdummung, der Fernseher als Gefahr der Manipulation oder der Computer als Gefahr der Cybersucht) und stellt die Erziehenden vor heraus fordernde Aufgaben. Es bleibt natürlich in Forschung und Praxis weiter zu klären, wie wir unseren Kita-Alltag mit den vorhandenen Technologien sinnvoll gestalten können, damit zukunftsrelevante Bildungsinhalte mit Apps erkannt und umgesetzt werden.

Tipp: Klänge sehen — Farben hören mit Apps

Kann man Musik sehen? Welche Farbe hat ein Geigenjubel oder ein Paukendonner? Eine Reihe von Apps bietet Kindern Möglichkeiten, Melodien und Rhythmen zu malen. Mit einem oder mehreren Fingern können sie grafische Partituren erstellen und diese anschließend erklingen lassen. Geometrische Formen, Tropfen und Linien lassen sich auf einer Spieloberfläche zu Mustern arrangieren und ermöglichen ein Experimentieren mit Klängen und Verläufen.

Empfehlenswert ist die App Singing Fingers (iOS) oder Finger Paint With Sounds (android). Die App Singing Fingers ermöglicht das malen von Klängen. Wenn man singt oder Geräusche macht und gleichzeitig über die weiße Oberfläche streicht, entstehen Farben – abhängig von der Tonhöhe. Hat man sein Klangbild gemalt, können die Mikrophon-Aufnahmen nun mit dem Finger wieder vor- oder rückwärts abgespielt werden. Das Bild wird nun zum Instrument.
Weitere Apps dazu: BeBot (iOS), TC-Performer (iOS) und Nodebeat (iOS und android)

Kitas, Grundschulen und Eltern tragen dafür Sorge, dass die Kinder Kompetenzen entwickeln, mit denen sie Problemstellungen mithilfe von immer weiter entwickelten digitalen Technologien kreativ und reflektiert lösen. Das Spannende besteht darin, dass mit Musikapps als innovative Medien sowohl niedrigschwellige als auch komplexe Angebote initiiert werden können. Wenn wir auch alle bereits Technik- sowie Musikexperten sind, ist es an jedem Einzelnen, die individuellen Kompetenzen kontinuierlich weiter zu fördern. Musikalische und mediale Bildung kann daher nicht einzig an externe Stellen wie Musikschule oder Kulturprojekte delegiert werden. Jedoch auch das Xylophon durch eine Xylophon-App zu ersetzen und das Mobilgerät auf die Funktion eines Trägermediums zu beschränken, widerstrebt einer Entfaltung des Bildungspotenzials digitaler Technologien. Die Relevanz der vielen Apps ergibt sich nicht bereits durch ihr Vorhandensein, sondern erst dann, wenn sie für spezifische Aufgaben zu neuen und anregenden Lösungen verhelfen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Erkunden der neuen musikalischen Lernwelten.

Tipp: Kinderlieder begleiten mit dem iPad
Apps können mobile Digitalgeräte wie Smartphones und Tablets aber auch in Musikinstrumente verwandeln. Darunter gibt es einfach zu bedienende Apps, mit denen Lieder von Erzieher_innen harmonisch begleitet oder Rhythmus-Apps mit denen interessante Rhythmen (Beats) komponiert werden können.

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Empfehlenswert zur harmonischen Begleitung sind die Apps guitarism (iOS) , SoundPrism (iOS) und Chordion (iOS).

Die App SoundPrism macht die harmonische Begleitung spielend einfach. Die Oberfläche gliedert sich in drei Hauptbereiche. Links lassen sich Basstöne auswählen, zu denen auch die Notennamen angezeigt werden können. Im mittleren Bereich (grau unterlegt) befinden sich mehrere Schaltflächen zur Konfiguration, mit denen die Akkordzusammensetzung, die Tonart sowie verschiedene Klangfarben ausgewählt werden können. Im rechten Bereich setzen sich die Basstöne horizontal in Oktav-Zeilen fort. Indem mehrere Zeilen gleichzeitig gespielt werden, ergeben sich Akkorde.

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Empfehlenswert zum rhythmischen Begleitung sind die Apps Drummy (iOS), Drums XD (iOS) und DMACH (android).

Musikalischer Rhythmus und Bewegung zur Musik sind für Kinder elementar und stellen zugleich tragende Säulen des Bildungsbereiches Musik und Rhythmik dar. Drummy ist eine App, die sich für das einfache Komponieren von gut klingenden Beats eignet. Die Oberfläche zeigt ein Raster, das dazu beitragen kann, die Konstruktionsweise musikalischer Rhythmen verstehen zu lernen. Spielerisch entstehen Beats per Fingertipp. Dafür stehen verschiedene Sounds zur Verfügung und auf der Unterseite findet man zusätzliche Drumpads für das Solospiel.
Weitere Empfehlenswerte Musikapps: Chordion (iOS), guitarism (iOS), SoundPrism (iOS), Thumbjam (iOS), GarageBand (iOS), Fiddlewax (iOS) sowie Drummer (iOS) und Loopseque (iOS)

Zitation: Krebs, Matthias/ Marc Godau (2016): App-Kids. Musikmachen mit Tablets im Kindergarten. In: Kinderzeit 01/2016, S. 18-23.

 

Anmerkungen

(1) Klax ist ein internationaler Bildungsträger und betreibt Kindergärten in Berlin, Brandenburg,
Niedersachsen und Schweden. www.klax-online.de
(2) Ralf Vollbrecht (2014): Mediensozialisation. In: Angela Tillmann, Sandra Fleischer, Kai-Uwe Hugger (Hg.): Handbuch Kinder und Medien, Wiesbaden, S. 117.
(3) vgl. Johannes Fromme / Ralf Biermann / Florian Kiefer (2014): Medienkompetenz und Medienbildung. Medienpädagogische Perspektiven auf Kinder und Kindheit. In: Angela Tillmann, Sandra Fleischer, Kai-Uwe Hugger (Hg.): Handbuch Kinder und Medien, Wiesbaden.
(4) Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2014): KIM-Studie 2014. Verfügbar über: http://www.mpfs.de/?id=646
(5) AOK-Familienstudie 2014, SINUS-Institut, Teil 1: Repräsentativbefragung von Eltern mit Kindern von 4 bis 14 Jahren, Berlin. Verfügbar über: http://www.aok-bv.de/imperia/md/aokbv/presse/pressemitteilungen/archiv/2014/aok_familienstudie_2014_gesamtbericht_band_1.pdf
(6) Karoline Braun (2014): Musik-Kita – (k)ein Einzelschicksal. Neue Wege zur Erweiterung des musikalischen Angebotes in Kindertagestätten. In: Bertelsmann Stiftung: Mika. Fachtagung Musikalische Bildung im Kita-Alltag, S.19. Verfügbar über: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/MIKA_Broschuere_Fachtagung.pdf
(7) Institut für Demoskopie Allensbach (2014): Digitale Medien in Grundschule und Kindergarten. Ergebnisse einer Befragung von Eltern, Lehrkräften an Grundschulen und Erzieher(innen) in Kindergärten. Verfügbar über: https://www.telekom-stiftung.de/sites/default/files/dts-library/materialien/pdf/ergebnisse_allensbach-umfrage_gesamt.pdf
(8) Deutsches Jugendinstitut: Datenbank – Apps für Kinder. Abrufbar über: http://www.datenbank-apps-fuer-kinder.de

 


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