Zwischen Berührung und Klick – ästhetische Erfahrungen in digitalen Performancepraktiken mit Apps
Digitale Musikpraktiken werden oft als in erster Linie technisch-orientiert angesehen. In Gegenüberstellungen mit herkömmlichen Musikinstrumenten haben sich im musikpädagogischen Diskurs Befürchtungen etabliert, dass der Einsatz von Apps und Co. zu einem Verlust körperlicher Erfahrung und zu einer Betonung abstrakt-distanzierten Denkens führen könnte. Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Rolle sinnlich-körperliche Erfahrungen in digitalen Performances spielen können. Im Zentrum der folgenden Betrachtung stehen (exemplarisch für das digitale Musikmachen) Performance-Videos mit Musikapps, die im Rahmen einer Studie näher untersucht wurden. Sie zeigen eine Bandbreite unterschiedlicher Formen kulturell verankerter Körperlichkeit im Umgang mit digitalen Musiktechnologien. Die Ergebnisse der Analyse im Hinblick auf die Unterscheidung „kultureller Spielweisen“ werden in Form einer Heuristik zusammengefasst, die eine Orientierung über die körperlichen Qualitäten verschiedener digitaler Musizierweisen bieten kann. Überlegungen zu Implikationen für die musikpädagogische Praxis runden den Beitrag ab.
[Coverbild]Inhalt:
- Thematischer Einstieg
- Kulturalität und Körperlichkeit
- Spielweisen in Musikperformances mit Apps
- Didaktische Implikationen
- Diskussion
1. Thematischer Einstieg
Wenn sich soziokulturelle Veränderungen durch die zunehmende Integration „neuer“ Technologien abzeichnen, finden sich vermehrt Diskussionen über sich verändernde Wahrnehmungsweisen, oft verbunden mit Befürchtungen eines kulturellen Wandels mit negativen Folgen für die Gesellschaft. Die eigene Weltwahrnehmung wird als absolut gesetzt und die eigene Kultur wird als die optimal entwickelt interpretiert, das Ungewohnte und Andersartige wird negativ konnotiert.
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2. Kulturalität und Körperlichkeit
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3. Spielweisen in Musikperformances mit Apps
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3.1 auditiv-taktile Spielweise
Die auditiv-taktile Spielweise zeichnet sich durch ein sensomotorisches, mimetisches Spiel aus. Die Spielbewegungen sind ökonomisch und weisen eine zeitlich enge, analoge Verbindung zum erzeugten Klang auf. Die Finger sind flexibel gespannt und werden mit Gewicht und einem Kraftaufwand geführt, ähnlich wie bei der Klangerzeugung durch ein dinglich-widerständiges, physisches Material. Häufig wird ein breites Spektrum von Spieltechniken realisiert, deren Ausdruck eine variantenreiche Klanggestaltung hervorbringt.
// by Mahesh Raghvan
3.2 regelgeleitete Spielweise
Bei der regelgeleiteten Spielweise kann die Verbindungslogik zwischen Spielbewegung und dem dadurch hervorgerufenen Klang nicht mehr so eindeutig nachvollzogen werden – sie folgt einer algorithmischen Eigenlogik. Die Spielbewegungen nehmen dabei den Charakter einer Choreografie an und scheinen weniger auf die sensible Berührung der Steuerelemente als vielmehr auf den kinästhetischen Sinn der Spielbewegung gerichtet zu sein.
// by BrandonRico
3.3 live-kompositorischen Spielweise
Bei der live-kompositorischen Spielweise lässt sich die Interaktion mit den Steuerelementen auf den ersten Blick eher als eine technische Steuerung – im Sinne einer Dateneingabe – charakterisieren. Die Programmierung wird in der Regel durch ein Grid (Kompositionsraster) strukturiert, das eine visuelle Orientierung gibt. In den meisten Fällen wird die Bedienung durch (unwillkürlich) mitwippende Körperbewegungen der Spielenden überlagert, wodurch eine affektive Verbindung zwischen der durch den Steuerprozess hervorgerufenen Klangstruktur und dem körperlichen (Mit-)Vollzug vermittelt wird.
// by MyOneManBand
3.4 DJ-ing-Spielweise
Die DJ-ing-Spielweise kennzeichnet ein Live-Arrangieren, bei dem Spielende einzelne musikalische Patterns wie Percussion-Loops, Synthesizer-Riffs etc. (in verschiedenen Varianten) durch kurzes Antippen auswählen, die auf dem Interface schachbrettförmig repräsentiert sind. Sie erklingen daraufhin automatisch synchronisiert zum bereits laufenden Beat. Parallel zur asynchronen Hervorbringung der Musik zeigt sich ein instrumentales Spiel mit Sample- und Effekt-Einwürfen, auch Filtereinstellungen sowie Lautstärken werden in Echtzeit modifiziert.
// by Rawad Hamwi
3.5 inszenatorische Spielweise
Bei der inszenatorischen Spielweise erhalten koordinierte Spielbewegungen, die sich zeitlich direkt auf den Klang abstimmen, kaum Bedeutung. Die Interaktion mit dem Interface erfolgt größtenteils somatisch asynchron zur hörbaren Klangmodulation und zeigt sich als eine geschäftige, körperlich gespannte, größtenteils jedoch ohne Orientierung an einem regelmäßigen Puls geführte Bewegung. Im Vordergrund steht, dass die musikalische Struktur – als Bewegung auf einer Metaebene – in einem dynamischen Werden gehalten wird. Dabei vermittelt sich eine die Handlung grundierende, affektive Körperlichkeit in einem Gesamtausdruck, der z. B. eine tonale Landschaft oder eine Geschichte sein kann.
// by Lena Evula
3.6 komplex automatisierte Spielweise
Bei der komplex automatisierten Spielweise stehen vertrackte Automationsketten im Zentrum, während der Zusammenhang zwischen Spielbewegung und Klangmodulation auch hierbei eine deutlich untergeordnete Rolle für den Musizierprozess spielt. Es werden komplex vernetzte Gefüge von klangerzeugenden Einheiten gemanagt. Dabei werden nicht selten z. B. synchronisierte Visualisierungen als zusätzliche Ausdrucksebene zum Beat oder Klangverlauf eingebunden, was wiederum als eine alternative Form der Inszenierung von Körperlichkeit verstanden werden kann.
// by Perplex_On
4. Didaktische Implikationen
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5. Diskussion
Was meinen Sie? Wie können Musikpädagogen körperlich-sinnlicher Erfahrung in der digitalen Musikbildung fördern? Welche Herausforderungen und Möglichkeiten sehen Sie? Nutzen Sie gern die Möglichkeit des Kommentarbereichs, um eigene Überlegungen und Erfahrungen zu skizzieren oder Fragen zu stellen.
Matthias Krebs ist Universitätsassistent an der Universität MOZARTEUM (Salzburg) und Leiter der Berliner Forschungsstelle Appmusik. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen: Digitale Medien in Lehre und Forschung, Kommunikation im Social Web, Netzkunst, Appmusik sowie Grundlagenforschung zum Musizieren mit digitalen Musiktechnologien.
Als Lehrbeauftragter ist der Diplom-Musik- und Medienpädagoge an mehreren deutschen Musikhochschulen sowie als Dozent für Weiter- und Fortbildungen und auch bei den Appmusik-Workshops bei app2music aktiv.
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