Appmusik mit den ganz Kleinen im Montessori Kinderhaus Potsdam-Drewitz

Matthias Krebs und Marc Godau | 17. Januar 2017

Im Sommer 2016 ist die Kammerakademie Potsdam (KAP) auf uns mit der Bitte herangetreten, interessierte Orchestermusiker_innen konzeptionell und pädagogisch bei einem musikalischen Vermittlungsprojekt in einer Kita zu begleiten. Darin sollten Musikapps die bisherigen Erfahrungen der KAP aus Vermittlungsprojekten ergänzen. Dieses erste Projekt ist Teil der Implementation appmusikalischer Vermittlungsangebote in das Angebot der renommierten Kulturinstitution. Den Auftakt dazu machte schließlich im September 2016 ein Pilotprojekt im Montessori Kinderhaus Potsdam-Drewitz, von dem wir hier berichten möchten.

Nach Fest und Tanz ist es Zeit, wieder zurück in die Burg zu kommen. Anja erzählt, wie es von hier in der Geschichte weitergeht. // Foto: Matthias Krebs

Praxiserfahrungen zu pädagogischen Angebote mit digitalen Technologien in der Kita sind sehr rar. Aufgrund dieser Situation fehlt es oftmals an fundierten Grundlagen, die einer Integration derartiger Projekte im Weg stehen. Debatten um Chancen und Risiken des Einsatzes in der Elementarbildung von Smartphones und Tablets kränkeln zudem daran, dass zu vielen musikpädagogischen Fragen grundlegende Forschungsergebnisse fehlen und Argumentationen auf einer Grundskepsis basieren. (Mehr dazu: Musikmachen mit Tablets im Kindergarten)

Ziel des gemeinsamen Kita-Projektes sollte daher sein, zu erproben, wie Musikapps sinnvoll in Musikvermittlungsangebote integriert werden können.

Konzeptentwicklung

Die Mitarbeiter der FAM, Matthias Krebs und Marc Godau, entwickelten zunächst ein Konzept für ein Praxisprojekt. Dieses bildete die Grundlage der Weiterbildung einer interessierten Orcherstermusikerin für die Gestaltung von appmusikalischen Angeboten. Da auch auf unserer Seite kaum Erfahrungen mit der besonders jungen Zielgruppe bestanden, entschieden wir uns, eine App-Musikerin in das Projekt aufzunehmen. Anja arbeitet seit einiger Zeit in verschiedenen Projekten mit Musikapps mit dem Schwerpunkt auf die Arbeit mit jüngeren Kindern bzw. auf Elementarpädagogik. Zudem war sie Teilnehmerin des Zertifikatskurses tAPP.

Nach Entwicklung des Konzeptes fanden 4 Termine im Zeitraum von 4 Wochen statt. Am Pilotprojekt waren die Orchestermusikerin Isabel der KAP, die Musikpädagogin Anja, die Erzieherin der Kita und die jeweiligen Gruppen von 12-15 Kindern im Alter von 3-5 Jahren sowie die Mitarbeiter der FAM beteiligt.

Konzeptionell war die Zusammenarbeit zwischen Anja und der Orchestermusikerin so angelegt, dass Anja anfänglich stark die Stundenstruktur bestimmte und über die Zeit sukzessive von der Orchestermusikerin abgelöst wird. Deshalb gestaltete Anja beim ersten Termin allein die 90minütige Sitzung. Diese bot Anlass für eine intensive didaktische Reflexion danach. Darin ging es zentral um Beobachtungen bzw. um Fragen von Isabel mit der Funktion, Zielbereiche zu hinterfragen und Handlungsalternativen aufzuzeigen. Die Orchestermusikerin sollte dabei nicht Anjas Stil übernehmen, sondern als immer selbstständiger werdende Partnerin ihren eigenen Ansatz für die Durchführung entwickeln. Ab der 2. Woche übernahm Isabel deshalb immer stärker die Leitung. Zunächst wurden die Angebote gemeinsam geplant mit Anja und schließlich übernahm Isabel allein die Planung, die Materialvorbereitung mit den iPads und die Durchführung beim 4. Termin.

In der Konzeption hatten wir uns in der Strukturierung der Sitzungen für ein Modulsystem entschieden, das aus Phasen (Bühnen) bestand, die sich inhaltlich und methodisch und in der Wahl des Material (Technologien) unterschieden. Damit sollten einerseits Methodenwechsel festgelegt und darüber hinaus eine Art Repertoire für zukünftige Angebote der Musikerin entwickelt werden.

Nach jeder Sitzung wurden auftauchende Fragen und Probleme reflektiert und Konsequenzen für die nächste Stunde abgeleitet. Diese flossen dann wiederum in die Aufbereitung der folgenden Sitzung ein.

Ritter Juppi

Der Rahmen der musikalischen Kita-Angebote war die Geschichte des Ritters Juppi. Die Kinder lernten in der ersten Sitzung das selbstgedichtete Juppi-Lied zu singen und sich dazu zu bewegen. Dabei unterstützte eine App (z.B. Loopimal) mit einem einfachen Rhythmus das gemeinsame Eingrooven (ein gemeinsames Wippen) der Gruppe und später das Improvisieren mit Gesten und Lauten.

Zwischen einzelnen musikalischen Abenteuern kommen alle zusammen und die Rittergeschichte wird von der Musikerin weitergesponnen. In welcher Szene geht es nun musikalisch weiter? // Foto: Matthias Krebs

In dieser ersten Sitzung experimentierten die Kids mit Klängen und nahmen mit verschiedenen Instrumenten Klanggeschichten auf: Wie klingt es, wenn der Ritter in seiner Rüstung die Stufen aus seinem Zimmer in den Hof läuft? In einer anderen Phase wurde zu ihrem Spiel mit sphärischen Klängen der App TC-Performer (YouTube-Link) ein Feentanz einstudiert und mit Schleiern getanzt. Zwischen den Phasen kamen alle zusammen um gemeinsam das Juppi-Lied zu singen und es wurde die Geschichte weitererzählt.

Die Verwendung der iPads dominierte nicht die Sitzungen. Sie wurden zweckgebunden als Instrumente oder als Hilfsmittel in bestimmten Phasen mit eingebunden. Beispielsweise wurden sie dazu genutzt, um Geräusche zu sammeln und zu Soundboards zusammenzufügen. Mit der App Keezy konnten die Kinder selbst Klänge aufnehmen und auf Soundboards symbolisiert durch farbige Flächen festhalten. Zuvor hatten sich die Kinder auf dem iPad Bilder von Ritterrüstungen angeschaut und sich über klangliche Besonderheiten von Helmklappe, Scharnier-Schaben und Blech-Stampfen unterhalten. Dann ging es darum, diese Klänge in Alltagsgegenständen wiederzufinden. Dafür mussten unterschiedliche Materialien klanglich untersucht werden: Gabeln, Perkussionsinstrumente und Spielzeug. Das Ergebnis: Klingt wie ein Kettenhemd! – so die Bewertung eines Kindes.

In einer anderen Sitzung wurde eine App genutzt, um z.B. mit den Fingern klingende Partituren zu zeichnen (z.B. die App Singing Fingers). Dabei war auffällig, dass die Kinder jedoch weniger auf den Klang als vielmehr die visuelle Komponente als spannend empfanden. Dieses Phänomen einer Präferenz visuell stimulierender Apps ist auch aus der musikpädagogischen Forschung bekannt (vgl. Burton & Pearsall: 2016).

Links: Die Kinder spielen Konzert-Situation. / Rechts: Der Klang der Violine. // Foto: Matthias Krebs

Ein Höhepunkt war das Improvisieren von Melodien mit der App JamBandit (YouTube-Link). Das konnten sie mit kleinen Lautsprechern auch gemeinsam mit der Orchestermusikerin machen, die auf ihrer Violine spielte. Die Kinder übernahmen die Rollen der Musiker*innen, der Dirigenten und des Publikums. Zu hören war ein Trio, das in der Rolle der Musiker_innen frei zum berühmten Pachelbelkanon improvisierte. Dabei gab ein weiteres Kind die Einsätze für die Wechsel unter den Musiker*innen. Und wenn es einige Kinder nach einiger Zeit nicht mehr auf den Kissen hielt, nahm die Erzieherin jene Einladung zum Bewegen auf, woraufhin das Publikum zu tanzen begann…

Das Spukschloss mit der Musikapp vidibox verklanglichen

vidibox ist eine App mit der man viele kleine Filmsequenzen aufnehmen kann und diese auf unterschiedliche Weise auf einem Soundboard abspielen und klanglich verbinden kann. Die Orchestermusikerin Isabel hatte in der Vorbereitung mit dieser App verschiedene Geigenstricharten aufgenommen. Die 8 kurzen Videos waren nun auf der App vidibox leicht mit einem Fingerwisch für die Kinder zu spielen. Idee war es, damit eigene kleine Klanggeschichten für eine Szene im Spukschloss zu gestalten.

Zunächst stand aber die Violine im Mittelpunkt. Die Musikerin spielte eine wirkungsvolle Improvisation mit unterschiedlichsten Stricharten vor und kommentierte das Spiel mit ihrer Spukgeschichte. Nun waren die Kinder an der Reihe. Die Kinder erkannten einige Spielarten auf dem Soundboard wieder und überlegten sich damit in 3er-Gruppen eigene Klanggeschichten. Diese spielten sie sich gegenseitig vor und erläuterten, was zu diesen Klängen in ihrer Geschichte passiert.

Zur Auswertung

Matthias Krebs und Marc Godau unterstützten dieses Projekt in der Konzeptions- und Planungsphase. Zudem betreuten sie die einzelnen Sitzungen, die sie gemeinsam mit der Musikpädagogin Anja und der Musikvermittlerin Isabel entwickelten. Dazu wurde jeweils ein Planungsskript erstellt, in dem Vermittlungsziele und verschiedene Stationen aufgeführt wurden. Die einzelnen Sessions wurden per Video aufgezeichnet, um einzelne Phasen in den anschließenden moderierten Auswertungsgesprächen besondere Szenen zu reflektieren und die Methoden weiter anpassen zu können.

Eine wissenschaftliche Auswertung der Sessions steht noch aus. Fragestellungen betreffen:

  • Zu welchen ästhetischen Erfahrungen können Kinder durch Musikangebote mit Apps angestiftet werden?
  • Wie können Musikprojekte mit digitalen Mobilgeräten in den Kita-Alltag integriert werden?
  • Wie können Transformationsprozesse sogenannter klassischer Musiker_innen zu einer Musikvermittlungspraxis unterstützt werden, die digitale Musiktechnologien einbezieht?  

Einzelne erste Erkenntnisse aus Diskussionen mit allen Beteiligten können schon ab März 2017 in einem Folgeprojekt in einer anderen Potsdamer Kita überprüft werden. Sie betreffen verschiedene Möglichkeiten

  • mit den Kindern vermittelt durch Apps zu musizieren,
  • Kompositionen zu entwickeln,
  • Klänge aufzunehmen und zu verfremden,
  • Musikapps zur Begleitung zum Tanzen und
  • Musikapps als Begleitautomatiken oder Begleitinstrumente zum gemeinsamen Singen zu verwenden.

Darüber werden wir in Zukunft berichten…

 

Literatur:

Burton, S. L. & Pearsall, A. (2016): Music-based iPad app preferences of young children. Research Studies in Music Education 38(1), S. 75-91.


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