Musikschule.digital.NRW – Musikschulleiter:innen und Lehrkräfte berichten in Fokusgruppen über ihre Projekterfahrungen
Digitalisierungsoffensive: Musikschulpraxis im Wandel. Das Jahr 2022 war für die VdM-Musikschulen in Nordrhein-Westfalen von der Realisierung des Projekts Musikschule.digital.NRW geprägt, das vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Durch großzügige Mittel wurden knapp 150 Musikschulen mit neuster Technik ausgestattet. Vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass Digitalisierung vor allem als ein sozialer und kultureller Veränderungsprozess zu begreifen ist, wurde darüber hinaus im Projekt das Ziel verfolgt, kollegiale Wissens- und Vernetzungsstrukturen zu schaffen, die im überregionalen Verbund eine Modernisierung des Musikschulangebots fördern. Anvisiert wurde damit eine Wissensgemeinschaft, an der alle Musikschulleitungen und Lehrkräfte der beteiligten Musikschulen partizipieren können. Zur Zielerreichung wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket umgesetzt, das u. a. einen Qualifizierungskurs für Multiplikator*innen, Digital-Tage an den einzelnen Musikschulen, eine Online-Woche mit Workshops zu Unterrichtsmethoden sowie die Einrichtung von überregionalen Fachbereichsgruppen zum Wissensaustausch beinhaltete.
–> Projekt-Webseite: https://lvdm-nrw.de/musikschule-digital-nrw/
Das Projekt Musikschule.digital.NRW zielte auf einen kulturellen Entwicklungsprozess: dieser ist offen, da er in die Zukunft gerichtet ist und muss Alle und Alles miteinbeziehen. Es galt daher die vielgestaltigen Prozesse der einzelnen Musikschulen in den reflektierten, dynamischen Prozess der Projektgestaltung einbeziehen und darüber hinaus auch so früh wie möglich die Zeit nach der Förderphase in den Blick zu nehmen.
Fokusgruppen
Um Projekterfahrungen von Akteur*innen in die Gestaltung der Projektentwicklung einzubeziehen und Herausforderungen sowie erfolgreiche Ansätze überregional sichtbar, diskutierbar und nutzbar zu machen, wurden prozessbegleitend moderierte Fokusgruppen als (selbst-)reflexive Maßnahme eingerichtet. Die Ergebnisse der Treffen wurden aufbereitet und als Anregung und Empfehlung allen Projektbeteiligten (vor allem Musikschulleitenden und Digitalagent*innen – siehe im Folgenden) zugänglich gemacht. Die darin enthaltenen berichtsartigen Schilderungen der Projektbeteiligten geben einen Ein- und Überblick zu möglichen Knackpunkten und konkreten (Prozess-)Fortschritten an einzelnen Musikschulen in diesem großen Digitalisierungsprojekt. Darüber hinaus beeinflussten die angesprochenen Punkte Prioritäten in den Entscheidungen der Projektleitung des Landesverbandes.
Digitalagent*innen
Eine tragende Rolle für den im Projekt verfolgten Transformationsprozess haben bestimmte Kolleg*innen (im Sinne von Multiplikator*innen), die den sozialen und kulturellen Veränderungsprozess im Schulalltag ihrer Musikschule unterstützen. Zur Vermittlung des dafür notwendigen Wissens wurde ein Qualifikationskurs angeboten. Zentral war hierbei vor allem, dass die Kursteilnehmenden Erfahrungen sammeln konnten, eingebunden in ein dynamisches Wissensnetzwerk zu sein, in dem in einem dynamischen Prozess Lösungsansätze entwickelt und geteilt werden. Zu den Wissensbereichen des vier Phasen umfassenden Kurses zählten u. a.
- Überblick über Ziele, Maßnahmen und Beteiligte im Programm Musikschule.digital.NRW (#orientierung),
- Administration von digitaler Technik (Stichwort: Mobile Device Management),
- Strategien, um Kolleg*innen zum Experimentieren anzuregen (#experimente),
- digitale Musikkultur und Lernkultur (#digitalität)
- Umgang mit unterschiedlichen Erwartungen, Ängsten und Kompetenzen in Bezug auf digitale Medien im Kollegium (#change) sowie
- Strategien, überregionale berufliche Vernetzungen zu unterstützen und zu moderieren (#wissensnetzwerk).
Diese Projekt-Rolle der Akteur*innen, die am Qualifizierungskurs erfolgreich teilgenommen haben und fortan die Wandlungsprozesse an den einzelnen Musikschulen unterstützen, wurde mit „Digitalagent*innen“ (DAs) bezeichnet.
–> Studienergebnisse zur Rolle der Digitalagent*innen
Kurz zum Ablauf der Fokusgruppentreffen
Es wurden drei thematisch unterschiedliche Fokusgruppen eingerichtet, die sich parallel traffen.
- Fokusgruppe Projektreflexion: Hier ging es vor allem darum, Erfahrungen aus der Praxis an den Musikschulen zu spiegeln und Prioritäten sowie den weiteren Projektablauf zu beraten.
- Fokusgruppe Technik: Hier wurde sich über technische Lösungsansätze ausgetauscht.
- Fokusgruppe Zukunft: Hier wurde darüber beraten, wie sich der Wandlungsprozess – angeregt durch die aktuelle Projektphase – im weiteren Verlauf bis 2025 entwickeln kann.
Die Online-Fokusgruppentreffen wurden wie folgt realisiert:
- Es sollte über das Sammeln von Herausforderungen oder Erfolgsgeschichten hinaus darum gehen, fokussiert spezifische Bedingungen und verschiedene Ansätze zu diskutieren.
- Anfang August wurden alle 150 Digitalagent*innen per Mail eingeladen, sich für eine der Fokusgruppen zu bewerben (insgesamt haben sich 28 DAs bereiterklärt).
- Jede Fokusgruppe war auf max. sieben Teilnehmende limitiert, um die Interaktion zu erleichtern.
- Um die Treffen inhaltlich vorzubereiten, erhielten die Beteiligten schon im Vorfeld per Formular drei zentrale Fragen, mit der Bitte, dazu schriftlich Stellung zu nehmen (im Sinne eines Brainstormings). Die gesammelten Schilderungen gingen dann vor dem nächsten Treffen an alle Beteiligten der Projektgruppe raus. Dies ermöglichte es, dass bei den Treffen direkt mit der Diskussion von herausfordernden oder nützlichen Erfahrungen eingestiegen werden konnte.
- Teilnehmende erhielten eine Aufwandsentschädigung von 100 € pro Treffen.
Fragen der Fokusgruppentreffen
Im Folgenden werden die Fragestellungen der Treffen gesammelt aufgeführt.
1. Fragen der Fokusgruppentreffen im August 2022
1.1 Projektreflexion:
- Wer sind Verbündete der Digitalagent*innen (DAs) an den Musikschulen (MS)?
- Wie kann die Kommunikation zwischen den Digitalagent*innen verbessert werden?
1.2 Technik
- Welches iPad-kompatible Equipment ist empfehlenswert und in welchen Szenarien wurden damit gute Erfahrungen gemacht?
- Mit welchen Lösungsansätzen wurden im Musikschulalltag gute Erfahrungen gesammelt, um Office-Dokumente zu bearbeiten und abzulegen? (Anwesenheitslisten, Protokolle etc.)
- Wie ist der technische IT-Support organisiert?
1.3 Zukunft
- Wie können Digitalagent*innen (DAs) in 2023 den (post-)digitalen Transformationsprozess ihrer Musikschule weiter unterstützen?
- Welche konkreten Ansätze werden vorgeschlagen, wie Erfahrungen als Inspirationspool (Wissensspeicher) aufbereitet werden können?
- Wenn für ein neues Digitalisierungsprojekt 100.000 € zur Verfügung stünden, welches Projekt lohnt es, zu beantragen?
2. Fragen der Fokusgruppentreffen im November/Dezember 2022
2.1 Projektreflexion
- Wie wurde versucht, Honorarkräfte (also Selbstständige) in das Projektvorhaben (die digitale Transformation der Musikschule) einzubeziehen?
- Welche konkreten Erfahrungen gibt es im Zusammenhang mit der Ausleihe/Verteilung von Musikschul-Geräten?
- Wie kann der überregionale Austausch zwischen Musikschulakteur*innen ermöglicht bzw. intensiviert werden?
2.2 Technik
- Wie wurde (das zum Mitmachen notwendige) Grundwissen an nicht-technik-affine Kolleg*innen vermittelt?
- Wie wurde die Ausleihe von technischen Geräten/Apps an Kolleg*innen organisiert? Was stellt sich als schwierig dar?
- Wie können möglichst unaufwändige Produktionen von Tutorialvideos realisiert werden? Wie erreichen diese Videos auch die Kolleg*innen?
2.3 Zukunft
- Was sind realisierbare Digitalisierungsziele für eine Musikschule bis 2025?
- Worin bestehen die Hürden für Veränderungen an Musikschulen?
- Wie kann ein überregionaler Austausch an den Musikschulen unterstützt werden?
3. Fragen der Fokusgruppentreffen im Januar 2023
3.1 Projektreflexion
- Wie wurde an der Musikschule die Nutzung der neu angeschafften/eingeführten Technologien unterstützt/intensiviert?
- Welche Bedingungen erscheinen sinnvoll, um Experimente (Change) an einer Musikschule zu unterstützen?
- Was sind zentrale Vorhaben von Digitalagent*innen für 2023?
3.2 Technik
- Welche Apps haben sich laut Feedback von Kolleg*innen an der Musikschule bewährt? Mit welchen Apps haben die Kolleg*innen gute Erfahrungen gemacht?
- Welche Online-(Lern-)plattformen haben sich bewährt? Welche Ressourcen im Netz sind zu empfehlen?
- Wie schaffen wir Digitalagent*innen es in 2023 noch besser im Austausch zu bleiben?
3.3 Zukunft
- Welche Hindernisse und Potenziale bietet die Einführung von digitalen Musizierformen in der Musikschule?
- Wie können Konzepte für einen Unterricht entwickelt werden, in dem digitale Technologien selbstverständlich integriert sind?
- Reise in die Zukunft: Die Nutzung digitaler Mittel hat sich als Selbstverständlichkeit etabliert: Welche Rolle kommt dann den Digitalagent*innen zu?
Musikschulpraxis im Wandel – ein offener Prozess
Dieser Blog-Beitrag verfolgt das Ziel, Inspiration und Anregungen für ähnlich gelagerte Projektvorhaben zu geben und damit auch einige Herausforderungen zu markieren, die mit solchen Prozessen zusammenhängen. Für weiterführende Fragen sowie Projektdokumentationen melden Sie sich gern bei Thomas Hanz (Referent für Digitalisierung beim LVdM NRW und operative Projektleitung von Musikschule.digital.NRW).
Matthias Krebs ist Universitätsassistent an der Universität MOZARTEUM (Salzburg) und Leiter der Berliner Forschungsstelle Appmusik. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen: Digitale Medien in Lehre und Forschung, Kommunikation im Social Web, Netzkunst, Appmusik sowie Grundlagenforschung zum Musizieren mit digitalen Musiktechnologien.
Als Lehrbeauftragter ist der Diplom-Musik- und Medienpädagoge an mehreren deutschen Musikhochschulen sowie als Dozent für Weiter- und Fortbildungen und auch bei den Appmusik-Workshops bei app2music aktiv.
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