Theorie der Praxis – Planungsmodell TPACK

Marc Godau | 14. September 2014

Wie plant man musikpädagogische Angebote, die den medialen Schwerpunkt auf digitale Technologien legen? Dies ist eine der grundlegenden Fragen innerhalb unserer Arbeit, die sich mit pädagogischen Potenzialen von Musikapps befasst. Wir gehen davon aus, dass die pädagogisch motivierte Einbindung von Tablets oder Smartphones sich von ‘herkömmlichen’ Lehr-Lern-Settings wie beispielsweise instrumentalem Gruppenunterricht unterscheidet. Welche Differenzen dies im einzelnen sind, bedarf jedoch einer gesonderten Untersuchung. Ein grundlegender Unterschied ist jedoch der Umgang mit digitaler Technologie, wodurch neben Ästhetik und Kommunikation auch das Lehren und Lernen beeinflusst wird. In einer Reihe von Artikeln zur didaktischen Planung möchte ich mich als erstes mit dem TPACK-Modell befassen, das sich diesem Thema stellt. Einzuordnen sind diese Artikel auch in unsere derzeitigen Arbeit am Curriculum des BMBF-geförderten Weiterbildungsprojektes TOUCH:MUSIC.

Das TPACK-Modell

Auf der Suche nach Möglichkeiten des pädagogischen Einsatzes mobiler Digitalgeräte stieß ich auf William I. Bauers Schrift Music Learning Today (2014). Angestrebt wird eine Integration von heutigen digitalen Technologien in musikdidaktische Kontexte. Die Problemstellung des Buches ist damit die Planung und Gestaltung technologiebasierten Musikunterrichts. Dafür greift Bauer auf das TPACK-Modell zurück.

Das Modell geht zurück auf den Bildungspsychologen Lee Shulman, der bereits in den 1980ern für die Lehrerausbildung forderte, den fachlichen Inhalt und die pädagogische Vermittlungsform gegenseitig anzupassen anstatt diese getrennt zu betrachten. Erweitert für den Bereich der Technologien wurde es von Matthew J. Koehler und Punya Mishra Ausgangspunkt ist die These, dass technisches Wissen (Technical Knowledge), pädagogisches Wissen (Pedagogy Knowledge) und Inhaltswissen (Content Knowledge) in der Konzeption von didaktischen Angeboten oft separat betrachtet werden. In einer Verbindung der drei Wissensdimensionen leitet sich die gegenseitige Beeinflussung ab.

 

TPACK-Wissendimensionen

 

1. Der Rahmen des Modells

Den Rahmen des Modells bilden die drei Wissensdimensionen, die drei Mischformen sowie der Kontext.

 

2. Die drei Wissensdimensionen

 

  • Pedagogical Knowledge (PK) bezieht sich auf das Verständnis über Lehr-Lern-Prozesse. Darunter sind Vermittlungsmethoden wie auch ein Wissen über Lernstile oder Motivation von Lernenden.

 

  • Technology Knowledge (TK) bezeichnet laut Bauer das Wissen des Umgangs mit Technologien. “The constantly changing nature of technology results in this being a challanging dimension, making the disposition to continue to learn and adjust to new technologies important.” (Bauer 2014, S.14)

 

3. Die Schnittflächen

  • Pedagaogical Content Knowledge (PCK) bedeutet erst einmal das Wissen um die Vermittlung eines bestimmten Inhaltes an Lernende. Bei Musikpädagog_innen existieren große Unterschiede, da jede/r auf bestimmten Gebieten spezialisiert ist und daher das Fachwissen (CK) unterschiedlich ausgeprägt ist. Das jeweilige Wissen ist dabei gebunden an den jeweiligen Kontext.
    Damit unterscheidet sich zum Beispiel das Wissen von Ensembleleiter_innen in Musikschulen maßgeblich von Musiklehrer_innen an Allgemeinbildenen Schulen. Haben erstere etwa spezialisiertes Wissen über Übemethoden oder Techniken im Spielen von Instrumenten, so haben letztere vielleicht besondere Expertise im Begleiten der Entwicklung des Hör- oder musikbezogenen Wissens ihrer Schüler_innen.

 

  • Technological Content Knowledge (TCK) ist das Verständnis um die Wechselwirkungen die von Technik und Musikpraxis. Technik wird innerhalb von Musikpraxen genutzt, aber Technik hat auch einen Einfluss auf die Musikpraxis. Ein Beispiel:  Heutzutage werden Synthesizer-Apps angeboten, die klanglich kaum von herkömmlichen Synthesizern unterschieden werden können. Auf den ersten Blick stellen sie lediglich eine billigere Variante digitaler Klangerzeuger dar. Allerdings werden eben dadurch für die Praxis technolgiespezifische Veränderungen sichtbar. Und sei es nur dadurch, dass die Soundvielfalt und damit die Kompositionsmöglichkeiten durch Nutzung verschiedener Apps erhöht werden kann.

 

  • Technological Pedagogical Knowledge (TPK) ist das Wissen um Möglichkeiten und Einschränkungen, die eine pädagogisch motivierte Einbeziehung von Technologien mit sich führt. Es macht einen Unterschied, ob ein Song als reines Tonbeispiel über ein Abspielgerät oder in Form eines über einen Beamer dargebotenen Videoclips eingeführt wird. Allein der Hinweis auf die ansprechbaren Sinnesmodi (Hören oder Sehen und Hören) durch die jeweilige Technologie zeigt, dass beide Methoden nicht diesselben Aufgabenstellungen und Lernformen ermöglichen. Für die praktische Arbeit erfordert es die Entwicklung eines Wissens darüber, welche Musikapps sich wie eignen, um z.B. selbstständiges oder kollaboratives Lernen zu fördern.

 

4. Die Schnittmenge

Technological Pedagogical and Content Knowledge (TPACK) ist zuletzt die Schnittmenge und der Interdependenzbereich aller drei Wissensbereiche. Gelingt Pädagog_innen diese Form der Professionalisierung, so erhöht sich maßgeblich die Qualität didaktischer Planung.(vgl. ebd.) Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass es weder die passende Unterrichtsmethode (PK), noch die passende Technologie (TK) für die Vermittlung eines bestimmten Inhalts (CK) gibt. Vielmehr bedarf es der Zusammenführung der drei Wissendimensionen.

 

Für appmusikpädagogische Settings hieße das, dass beispielsweise die App GarageBand und deren Oberfläche(n) (Klavier-, Gitarren, Schlagzeugdarstellung etc.) nicht für jede Adressatengruppe, nicht für jedes angestrebte musikalische Ergebnis und nicht für jede Vermittlungsmethode (z.B. Gruppen- oder Alleinarbeit) geeignet sei. “There ist no single technological solution that ist propriate for every teacher, school, classroom or student.” (a.a.O., S.15) TPACK ist nicht die Summe einzelner Wissensbereiche (inhaltliches, pädagogisches oder technisches Wissen), sondern ein umfangreiches Verständnis über die Beziehungen zwischen diesen.

 

5. Der Kontext

Context wird in dem Modell als die umrahmenden situativen Gegebenheiten betrachtet. Dazu gehört: Wie ist der Raum ausgestattet, welche Technologien sind überhaupt einsetzbar, welche sozialen Charakteristika (Milieu, Klassen-/ Gruppenklima, Schulkonzept etc.) findet man in der Situation vor?

 

Fazit:

In Bezug zur Frage, wie musikpädagogische Angebote gestaltet werden können, die ihren medialen Schwerpunkt auf Musikapps legen, sehe ich TPACK derzeit als heuristisches Instrument der Unterrichts- oder Angebotsplanung. Indem man den Fokus einzelner Planungsschritte auf alle drei Wissensdimensionen – im Gegensatz zur einseitigen Konzentration auf eine Dimension wie z.B. den Inhalt – zuspitzt, gewinnt man neue, kreative Ideen. Im Gegensatz zur Frage, welche Methode und welche Technik für welchen Inhalt genutzt werden kann, rückt die Frage nach der gegenseitigen Beeinflussung von Inhalt, Methode und Technik in den Vordergrund. Wie interagiert die gewählte Methode mit der jeweiligen Technik? Wie verändert die Technik den Inhalt und vice versa? In welchem Verhältnis stehen Methode und Inhalt zueinander? Und wie interagieren alle drei Dimensionen miteinander im jeweiligen situativen Kontext? Alle drei Wissensdimensionen sind erst einmal gleich gestellt. Weder Inhalt, Methode oder die Technik ist wichtiger als die verbleibenden zwei.

 

Anregend war dabei besonders ein youtube-Tutorial der amerikanischen Medienpädagogin Dr. Lisa Hervey, in dem sie die Nutzung kollaborativer Planung vorstellt.

Im Video berichtet sie, wie Gruppen Möglichkeiten der Kombination aus CK, PK und TK zusammenstellen, diskutieren und schließlich zu einem für die jeweilige Situation angemessen Projekt erarbeiten können. Ähnliches schlägt auch Bauer vor. Er empfiehlt für die Unterrichtsplanung bei den Aktivitätstypen für musikalisches Handeln zu beginnen. Diese Auflistung von möglichen Handlungsweisen entspricht dem unterschiedlichem musikalischen CK. Ausgehend davon können Methoden (PK) und Technologien (TK) zu einem TPACK-Angebot ausgearbeitet werden.

 

Natürlich bedarf es der weiteren Beschäftigung mit dem Modell, insbesondere wenn es um Fragen danach geht, wie beispielsweise Technologien, (Handhabungs- bzw. Spiel-)Technik und Medien voneinander abgegrenzt werden oder welche Querverbindungen zum Entwicklungsdreieck offener webbasierter Lernumgebungen gezogenen werden können.

Folie1

Entwicklungsdreieck für webbasierte Angebote

 

Interessant ist es jedoch hier vorrangig, wie Sie als (Medien)Pädagog_in TPACK bezüglich Ihrer eigenen Erfahrung mit didaktischer Planung bewerten. Wie vergleichen Sie TPACK mit Ihnen bekannten und vertrauten Modellen?   

 

 

Literatur und Links:

Bauer, William I. (2014): Music Learning Today: Digital Pedagogy for Creating, Performing, and Responding to Music, Oxford University Press: New York

Williams, David Brian (2015): The Technology-Music Dance. Reflections on Making Sense of Our Tools. In: Randles, Clint (Hrsg.): Music Education: Navigating the Future, S.139-154

http://activitytypes.wmwikis.net/file/view/HarrisHofer-TPACKActivityTypes.pdf/81924815/HarrisHofer-TPACKActivityTypes.pdf

https://plus.googleapis.com/wm/4/communities/113260073557691370851

http://www.digitalmusicking.com

http://www.matt-koehler.com/publications/presentations/mishra_koehler_keynote_2008.mov

http://activitytypes.wm.edu/MusicLearningATs-June2012(0).html


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