Appmusik in der Praxis (6) – Wir komponieren unsere Olympiahymne mit Apps
Am Berliner Leistungssportzentrum (SLZB) brachte das künstlerische Medienprojekt „Olympiahymne 2014“ Schwung in den Schulalltag. Nach der feierlichen Tabletübergabe am 23. April führten 12 zukünftige Olympionik_innen der Leichtathletik-Klasse 8f gemeinsam mit ihren 7 Fachlehrer_innen innerhalb von 6 Wochen ein fächerverbindendes Projekt (Musik, Englisch, Sport, Deutsch, Ethik, Kunst, Mathe) mit Tablets durch. Am 30. September wurde diesem Projekt der 2. Platz beim bundesweiten Wettbewerb »IDEEN BEWEGEN« der Initiative »DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN« verliehen. Wir, Marc Godau und Matthias Krebs, von der Forschungsstelle Appmusik unterstützten dieses Schulprojekt bei der Konzeption und Durchführung und wollen in diesem Artikel Ziele, Methoden und Erfahrungen zusammenfassen.
»Athletisch und Ästhetisch für die Olympischen Spiele 2024« lautete das Motto des Projektes. Damit stellten sich die Schüler_innen und Lehrkräfte der Herausforderung, eine Olympiahymne mit Musikapps zu komponieren, diese mit dem Tablet als Clip zu verfilmen und im Social Web schließlich zur Unterstützung der Bewerbung ihrer Heimatstadt Berlin bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2014 zu verbreiten. Komponiert in Berlin und gedreht in Hamburg, unterstützt von Sportschüler_innen aus Südafrika, Schweden und Hamburg, entstand auf den Tablets der Schüler_innen ein Musikclip, der nicht nur auf YouTube für Furore sorgt.
Dieses Video ist das Ergebnis. Das Video ist von den Schüler_innen selbst auf Apps entwickelt, organisiert und produziert worden.
Kurzdarstellung des Projektes
Verwirklicht wurde das Unterrichtsprojekt mit dem »digitalen Klassenzimmer«: Tablets für Schüler_innen und Lehrer_innen sowie ein Großbildschirm. Dieses Equipment stellte der Ausrichter des Wettbewerbs, der Initiative DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN, gefördert vom Elektronikkonzern Samsung, zur Verfügung.
Ziel des fächerverbindenden, nachhaltig angelegten Pilotprojekts war es, Strukturen zu schaffen, um digitale Medien in die Unterrichtspraxis zu integrieren, Medienkompetenz im Umgang mit mobilen Technologien zu vermitteln sowie Erfahrungen in der musik- und medienbezogenen ästhetischen Gestaltung zu stiften.
»Erstellt bis zum 19.6. eine Olympia-Hymne samt eines Musikvideos, das für Olympia begeistern soll. Das Video soll dann bis zum 10.7. auf verschiedenen Online-Plattformen mindestens 2024 Likes bekommen.«
(Arbeitsauftrag)
Wichtig war uns von der Forschungsstelle Appmusik dabei ein authentischer Umgang aller teilnehmenden Schüler_innen sowie Lehrer_innen mit Tablets. Daher setzten wir uns dafür ein, dass jeder ein eigenes Mobilgerät mit Nachhause nehmen konnte. Dabei waren sowohl die Schüler_innen als auch die meisten ihrer Lehrkräfte von Beginn an aktiv in die Planung und Gestaltung einbezogen. So unterstützten die Tablets auch in Mathe, Englisch und Sport das Lernen.
Die Arbeit in den Gruppen erfolgte größtenteils selbstorganisiert, kollaborativ und demokratisch. Die Lehrer_innen unterstützten die Gruppen beim Bearbeiten individueller Ziele, regten zu Aushandlungsprozessen an und gaben auch Raum für peer2peer-Lernformen. Dabei war die Projektarbeit der Schüler_innen so strukturiert, dass es ähnlich wie in einer Werbeagentur einzelne Abteilungen mit eigenen Verantwortlichkeiten gab. Jeder bearbeitete eine eigene Aufgabe und dokumentierte seinen (Lern-)Fortschritt öffentlich im projekteigenen Blog (www.olympiahymne.de).
Beispielsweise wurden im Team „Hipstergestalter“ das Logo und die Internetbanner entworfen. Außerdem wurde erarbeitet, wie die Corporate Identity beim Filmdreh und in der Musik wiederzufinden ist. In der Musikgruppe wurden auf den Samsung-Tablets mit android-System zunächst Musikapps wie „SPC“ und „Yellofier“ genutzt, um eine Basis für die Entwicklung der Hymne zu legen. Höhepunkte der Projektarbeit waren auch eine selbstorganisierte Fahrt nach Hamburg, um Videoszenen zu drehen, und eine Skype-Konferenz mit Sportschüler_innen in Südafrika.
Das fertiggestellte Musikvideo wurde über Plattformen wie WhatsApp, Facebook und YouTube verbreitet. In einer abschließenden Auswertungsphase wurde das Projekt mit den Teilnehmenden über einen Fragebogen evaluiert und am Ende in einer Gesamtkonferenz mit allen Teilnehmer_innen und der Schulleitung besprochen.
Wie war es zu diesem Projekt gekommen?
Die Idee entstand im Musikunterricht. Beim Thema Sporthymnen und im Zusammenhang mit den aktuellen Olympiabewerbungen Berlins für 2024 fragten Schüler der 8f, welche Hymne wohl erklänge, “wenn wir selbst Olymponiken sind?”. Zudem bindet der Musiklehrer Johannes Püschel regelmäßig Tablets und Schüler-Smartphones in den Musikunterricht ein. Grund dafür ist, dass nur sehr wenige Schüler_innen ein Instrument spielen und Musikapps für die meisten attraktive Alternativen darstellen. Sie bedingen einerseits keine langjährigen Spielerfahrungen vor allem auf motorischer Ebene und andererseits stellen sie einen besonderen Reiz dar, weil der Großteil der Klasse eigene Smartphones oder Tablets besitzt. Und nicht zuletzt suchte der Musiklehrer mit der Mathelehrerin dieser Klasse schon länger Wege, ein fächerverbindendes Projekt zu realisieren.
Schließlich fragte Johannes Püschel uns im Dezember 2014, ob wir ein Tablet-Projekt zum Thema Olympiahymne unterstützen wollten. Anlass für die konkrete Anfrage war die Wettbewerbs-Ausschreibung der Initiative »DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN«. Zusätzliche Motivation war es, eine digitale Klassenzimmerausstattung, im Wert von rund 20.000 Euro zu gewinnen. Unabhängig vom Wettbewerb fanden wir das Vorhaben, mit android-Tablets in einem fächerübergreifenden Projekt eine Olympiahymne zu produzieren, spannend und erarbeiteten gemeinsam mit Johannes ein detailliertes Konzept sowie die Bewerbungsskizze.
Besonders beeindruckend fanden wir die Motivation der Schüler_innen eine Olympiahymne komponieren zu wollen, um sich mit diesem Beitrag für die Bewerbung Berlins als Austragungsort der Olympiade im Jahr 2024 zu engagieren, bei der die Schüler_innen der 8f selbst Olympioniken sein könnten. Der Projekt-Titel lautete schließlich »Let The Games Berlin – unsere Olympiahymne komponiert mit Apps«.
Projektstart mit Hindernissen
Fast ein halbes Jahr nach Antragsstellung fiel endlich der Startschuss. Doch inzwischen war entschieden, dass Berlin nicht im internationalen Rennen um die Vergabe der Olympischen Spiele 2024 antreten wird, sondern die Hansestadt Hamburg.
»[…] Aber unser Projekt ist flexibel, denn das sollte doch die Stärke von digitalen Projekten sein, und so unterstützt die 8f des Schul- und Sportleistungszentrum Berlin nun die Norddeutschen und unser Projekt heißt nun LET THE GAMES ber/in HAMBURG!.«
(Blog-Ankündigungstext von J. Püschel)
Es galt nun in 6 Schulwochen ein fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt mit digitalen Medien durchzuführen, das sich in den Schulalltag einfügen lässt und im Sinne von Nachhaltigkeit auch über den Projektzeitraum hinaus für die Beteiligten und die Schule fruchtbar wird.
Das Projektkonzept wurde dazu vorab den beteiligten Lehrer_innen vorgestellt. Aus der gemeinsamen Diskussion von Ideen, potentiellen Schwierigkeiten und Ressourcen wurden bereits Teilaufträge für die Fachbereiche entwickelt. Die Schüler_innen wurden einführend mit der Projektmethode vertraut gemacht.
Herausforderung Tablet-Unterricht
Wie zu erwarten, bestanden eine Reihe von Herausforderungen beim Projekt “Olympiahymne 2014” in der Einbindung der Tablets in den Unterricht und spiegelten sich in den lernkulturellen Veränderung für die Unterrichtsgestaltung und im Rollenwechsel der Lehrenden zu Berater_innen wider. Einige Projektlehrer_innen standen der Digitalisierung des Unterrichts kritisch gegenüber, was zu Konflikten führte und durch Gespräche und Teamteaching gelöst wurde.
Die Öffnung und regelmäßige “Veröffentlichung” von Unterrichtsprozessen auf dem Blog war ungewohnt und konnte nur durch Regeln durchgesetzt werden. Schwierig für das kollaborative vernetzte Arbeiten war zudem die Abhängikeit vom WLAN. Auch Updates von Apps führten zu Irritationen in gewohnten Arbeitsabläufen. Herausforderungen stellte auch das hohe Ablenkungspotenzial, indem spontan persönlichen Interessen nachgegangen wurde, was Arbeitsprozesse unterbrach.
Nach anfänglichen Irritationen arbeiteten die Schüler unkompliziert und selbstverständlich mit den Tablets. Dabei half ihnen der informelle Austausch untereinander. Für die beteiligten Lehrer_innen stellte es eine große Herausforderung dar, Mobiles Lernen in die Unterrichtsgestaltung zu integrieren. Die erstellten Lernprodukte wurden in der gesamten Schule diskutiert und erhöhten die Motivation der Projektteilnehmenden.
Fazit
Mit den Tablets konnten sowohl einzeln individuelle Ideen ausgearbeitet werden als auch als Team mit einem Tablet zu einem gemeinsamen Ergebnis zu gelangen oder Individual- zu einem Teamergebnis zusammenzuführen. Die Teams arbeiteten an selbstdefinierten Zielen und experimentierten stärker als sonst, um ohne Lehrerhilfe eigene Lösungen zu entwickeln. Die Intensität der konzentrierten Arbeit wurde durch die zunehmende öffentliche Verschriftlichung im Blog erhöht. Darin berichteten vermehrt Teams über die Leistung anderer Teams, was nicht nur Diskurse eröffnete, sondern vor allem Ansporn war, um Ziele möglichst pünktlich und gut zu erreichen.
Für die erfolgreiche Integration der Tablets besonders wichtig scheint uns insbesondere die soziale Seite der Technologienutzung: Tablets werden in ihrer Bedeutung häufig von Lehrern, Eltern und Schülern als Ablenkung oder Spielzeuge verkannt, was den Einsatz für ‘richtiges’ Lernen hindert. Anforderung bestehen damit in der medientheoretischen Aufklärung der gesamten Schule sowie in der Entwicklung eines schulindividuellen Medienkonzepts. In wieweit das mit dem Preis ausgezeichnete Olympiahymnen-Projekt erste Strukturen für eine nachhaltige Veränderung der Lernkultur etablieren konnte, wird sich zeigen. Musiklehrer Püschel ist zuversichtlich und verweist auf ein Tablet-Projekte im Sportunterricht eines Kollegen.
Links:
https://www.i-dbnd.de/schulen/projekte/let-the-games-berin-hamburg.html
http://olympiahymne.de/silbermedaille-fuer-unser-olympiahymnenprojekt-in-ruesselsheim/
http://www.slzb.de/index.php?id=85&tx_ttnews%5Btt_news%5D=391&cHash=1399735c5ad8ac3b94e7a31d54a54a7a
http://www.didacta.de/Aus-den-Unternehmen_Siegerehrung-IDEEN-BEWEGEN-2015.php
Matthias Krebs ist Universitätsassistent an der Universität MOZARTEUM (Salzburg) und Leiter der Berliner Forschungsstelle Appmusik. Seine Forschungsschwerpunkte betreffen: Digitale Medien in Lehre und Forschung, Kommunikation im Social Web, Netzkunst, Appmusik sowie Grundlagenforschung zum Musizieren mit digitalen Musiktechnologien.
Als Lehrbeauftragter ist der Diplom-Musik- und Medienpädagoge an mehreren deutschen Musikhochschulen sowie als Dozent für Weiter- und Fortbildungen und auch bei den Appmusik-Workshops bei app2music aktiv.
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